Behalt das Leben lieb
am Zügel, so kam sich Beer unter dem Druck von Goofs Hand auf seiner Schulter vor.
Auf dem Rasen das Geräusch der Schritte von rennenden Jungen. Der dumpfe Aufprall eines Balles. Die Stimme von Harrys Vater, dem Trainer, der seine Elf zu sich rief.
»Wart mal«, sagte Goof.
Beer blieb gehorsam stehen. Dann bemerkte er, dass sich die Jungen um ihn geschart hatten. Wollte Harrys Vater noch eine kleine Anfeuerungsrede halten, wie er es fast vor jedem Spiel tat? Etwa in dem Stil: Kees, bleib am Mann. Und du, Gompie, kein Gedribbel. Und Bennie, denk an Abseits. »Ja, dann mal los, Dikkie«, sagte Harrys Vater. Plötzlich war es still und man hörte nur noch den frischen Frühlingswind.
»Lieber Beer«, begann Dikkie mit ziemlich feierlicher Stimme.
Himmel, dachte Beer. Verzweifelt umklammerte er den Stock in seinen Händen, denn er ahnte, dasseine Ansprache kommen würde. Wenn er das gewusst hätte.
»Beer, toll dass du heute gekommen bist. Unsere Elf hat dich nicht nur als Torschützen Nummer eins, sondern vor allem als Freund vermisst.«
»Aber Dikkie . . .« Beer versuchte, seinen ehemaligen Mannschaftskapitän zu bremsen und womöglich zu stoppen, aber Dikkie redete unbeirrt weiter:
»Du weißt natürlich noch, dass du uns im letzten Spiel mit deinem herrlichen Tor zum Sieg verholfen hast. Du hast damals gesagt: ›Das war reines Glück. Ich hab mit geschlossenen Augen geschossen.‹ An diesen Satz haben wir noch oft gedacht. Mit geschlossenen Augen! Wir sind ganz sicher, dass du in deinem Leben noch oft Tore schießen wirst, wenn auch nicht auf dem Fußballplatz.«
Beer wurde es jetzt wirklich zu viel. Immer wieder stocherte er mit seinem Stock im Gras und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
»Wir wollen dir als Mannschaft etwas überreichen. Kein Abschiedsgeschenk, denn du gehörst ja noch immer zu uns.« Und dann, in einem anderen Ton: »He, Bennie, klingel mal!«
Eine Fahrradklingel ertönte.
»Es ist ein Tandem«, sagte Dikkie und Gott sei Dank war der Ernst jetzt vorüber. »Beer, wir dachten, ehe du jede Woche deinen trägen Hintern auf den Gepäckträger von einem anderen hievst, trittst du auf so ’nem Tandem wenigstens selber mit.Und was den vorderen Sattel betrifft: Du kannst immer auf einen von uns rechnen!«
Beer schluckte und schluckte. Hatte ihn die Zeit im Krankenhaus so empfindlich gemacht?
Da zog Goof ihn zu dem Rad und führte seine Hand zur Lenkstange. »Es sieht klasse aus. Ganz rot und weiß, in den Clubfarben!«
Beer hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen, aber er fand plötzlich keine Worte. Mit diesem Kloß im Hals brachte er nichts heraus. »Habt schönen Dank alle. Vielen Dank. Das, das ist einfach zu viel. Deshalb, geht jetzt auf ’n Platz und . . . knallt Victoria ’n paar Tore rein.« Und Goof, der noch immer neben ihm stand, flüsterte er zu: »Bring mich bitte zu einem ruhigen Plätzchen.«
Goofs Hand legte sich wieder auf Beers Schulter. Goof führte ihn behutsam zu einer ruhigen, sonnigen Stelle an der Linie. Dort ließ sich Beer nieder, nicht wie ein verirrter Vogel, sondern wie ein Bär, der nach einem Streifzug durch einen dunklen Wald wieder in seine sichere Höhle zurückgekehrt war.
Er fühlte sich geborgen.
Beer hatte sich nie bewusst gemacht, dass die Spieler seiner Elf bei einem Kampf so viel und so laut schrien. Die Rufe schallten über das Spielfeld:
»Hierher. Hier!«
»Gompie, gib ab!«
»Bleib am Mann!«
»Penner, dribbel nicht so lange!«
Aus all dem Geschrei war zu entnehmen, wo jeder Spieler stand. Die Schritte, das Dröhnen eines Schusses und der Aufprall des Balles verrieten Beer, wie das Spiel verlief.
»Ecke! Ecke!«
»Die schieß ich!«
»Nein, Harry, ich!«
Elf Schreihälse, die um den Sieg kämpften und nichts anderes als den Ball sahen. Hatte ihr Eifer nicht etwas Verrücktes, wenn man an Schwester Wil, an Gerrit oder an den sterbenden Studenten dachte? Und doch hatten sie ihm ein Tandem geschenkt. Noch immer erfüllte ihn ein Gefühl der Wärme.
»Los, Jungens, geht ran!«, rief er laut über das Spielfeld.
Zehn Minuten Spielzeit waren vergangen. Noch immer 0:0. Beer war so in das Spiel vertieft, dass er die leise herannahenden Schritte nicht gehört hatte. Erst als jemand sich räusperte, begriff er, dass jemand neben ihm stand.
»Hallo, Beer!«
Beer drehte sich ganz unnötigerweise um. Er hatte die Stimme nicht erkannt.
»Hallo . . .« Er zögerte.
»Ich bin Tjeerd. Tjeerd Bosma.«
»Du hier?« Beer hörte
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