Behandlungsfehler
er dem Patienten die Zusammenhänge besser erklären. Er kennt den Patienten und der Patient kennt ihn, was das Gespräch erleichtert. Auf diesem Weg ließe sich so manche juristische Auseinandersetzung vermeiden. So aber kommt der Patient, bei dem die Behandlung nicht so verlief,
wie sie hätte verlaufen sollen, aus dem Krankenhaus zurück, und der Hausarzt schüttelt irritiert den Kopf. Ob zu Recht oder nicht, gilt es dann zu klären.
Nach dem ersten Gespräch kommt es in etwa zehn Prozent der Fälle vor, dass ich sage: Das hat keine Aussicht auf Erfolg. Das war zum Beispiel bei einem Mandanten der Fall, der mir lang und breit erklärte, sie hätten ihn in der Klinik nicht behandelt, sondern ihn einfach nur liegen lassen, obwohl er starke Schmerzen hatte – und dann sei er woanders hingegangen, und da hätten sie ihn sofort behandelt. Er wollte die erste Klinik jetzt verklagen, weil er einen halben Tag lang starke Schmerzen gehabt hat. Aber damit kommen wir nicht durch. Die Gerichte sind in derartigen Fällen nicht bereit, nennenswerte Schmerzensgelder auszuurteilen, und schon gar nicht in der Höhe, die meinem Mandanten vorschwebte. Es mag andere Anwälte geben, die auch solche Fälle übernehmen. Aber mir geht es nicht nur darum, Geld zu verdienen. Ich möchte gewinnen. Und wenn ich glaube, dass keine Aussicht auf Erfolg besteht, nehme ich den Fall gar nicht erst an.
Wenn ein Mandant zu mir kommt, muss ich zunächst abwägen, wie wahrscheinlich es ist, dass er seinen Anspruch auf Schadenersatz durchsetzen kann. Um das beurteilen zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die jedoch zunächst abhängig von den folgenden Vorfragen sind:
Welche Kosten fallen an? Wer trägt das Kostenrisiko? Welche Hilfen können wir in Anspruch nehmen, um die Angelegenheit beurteilen zu können? Was würde ein Klageverfahren kosten? Wer einen Anspruch stellt, trägt nicht nur die Beweislast, sondern grundsätzlich auch das Kostenrisiko. Der Mandant muss entscheiden, ob er dazu generell bereit ist. Wenn er eine Rechtsschutzversicherung hat, kann diese für ihn zumindest das Kostenrisiko übernehmen. Andernfalls stellt sich gegebenenfalls die Frage, ob er einen Berechtigungsschein erhalten oder Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen könnte. Eine sehr wichtige Information für mich ist ebenso, bei welcher Krankenkasse der Mandant versichert ist. Ein Privatpatient erhält über seine private Krankenversicherung kein Gutachten des Medizinischen Dienstes der
Gesetzlichen Krankenkassen. Ein solches einzuholen ist aber häufig durchaus sehr sinnvoll.
Manchmal spielen auch ganz andere Faktoren noch eine Rolle, wie zum Beispiel die Frage, wie lange ein Patient noch zu leben hat. Manch einem nützt ein Klageverfahren nichts, weil es zu lange dauert und er das Ende aller Voraussicht nach nicht erleben wird. Da geht es darum, eine schnelle Lösung zu finden, damit er sich noch daran freuen kann, dass ihm Genugtuung zuteil wird.
Immer, wenn ein Mandant zu mir kommt, muss zunächst das Vorgehen entschieden werden. Beantragen wir ein Schlichtungsverfahren? Eignet sich der Fall eher dafür, ihn vom Medizinischen Dienst begutachten zu lassen? Oder aber kann ich den Fall selbst beurteilen, mit oder ohne meine medizinischen Berater, damit ich die Erfolgsaussichten zunächst abschätzen kann?
Behandlungsunterlagen
Das Recht des Patienten, seine Unterlagen einzusehen, leitet sich aus dem Grundgesetz ab. Artikel eins besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, und Artikel zwei garantiert das Selbstbestimmungsrecht. Daraus wird abgeleitet, dass jeder das Recht hat, seine Patientenakte einzusehen. Es ist ein sehr starkes Recht und mir ist unklar, wie einige Ärzte sich weigern können, Einsicht zu gewähren. Aber es kommt vor, wenn auch nur selten. In all den Jahren ist es bei mir nur dreimal vorgekommen, dass Ärzte die Behandlungsunterlagen nicht herausgeben wollten.
In den meisten Fällen reicht es, eine kleine Fortbildung zur Rechtslage zu machen und sie zu bitten, ihrem Patienten die Akten zur Einsicht zu überlassen. Es geht zunächst gar nicht darum, gegen sie zu ermitteln, sondern lediglich den Behandlungsverlauf zu überprüfen. Vor allem bei der Vorprüfung ist es wichtig zu objektivieren und abzuwägen, was dokumentiert ist und was sich beweisen lässt. Dafür sind die Akten unerlässlich.
Ich werde grundsätzlich nie tätig, bevor ich die Behandlungsunterlagen eingesehen habe. Der Patient verdrängt. Vieles weiß er gar
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