Behandlungsfehler
Erst muss man ins Blaue hinein behaupten, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat, und darauf warten, dass dieser den Anspruch zurückweist, bevor ein Gutachter den Sachverhalt klärt. Andere Länder, andere Sitten – dieser Satz gilt auch innerhalb von Deutschland.
Im Grundsatz arbeiten die Schlichtungsstellen aber alle ähnlich: Der Patient beantragt ein Verfahren. Er listet auf, wann er bei wem in Behandlung war und wieso er meint, dass jemand in welcher Form fehlerhaft gehandelt hat. Er entbindet den Arzt von der Schweigepflicht. Dann fragt die Schlichtungsstelle bei dem Antragsgegner an, ob er dem Verfahren zustimmt. Die Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren ist freiwillig. Wer nicht mitspielen möchte, der stimmt nicht zu. Im ambulanten Bereich kann es schon vorkommen, dass die Ärzte einem Verfahren nicht zustimmen. Das passiert vor allem dann, wenn sie überzeugt sind, dass an dem Vorwurf nichts dran ist. Im stationären Bereich ist das eher selten. Die Kliniken beziehungsweise deren Haftpflichtversicherungen, stimmen fast regelhaft dem Verfahren zu. Wenn die Beteiligten zugestimmt haben, holt sich die Schlichtungsstelle die Behandlungsunterlagen, bittet den Arzt zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen, und beauftragt einen Gutachter. Zu dessen Ausführungen nimmt die Schlichtungskommission abschließend Stellung.
In der Kommission sitzen Ärzte und Juristen. Häufig kommen der Gutachter und die Schlichtungskommission zu dem gleichen Ergebnis. Zwingend ist das aber nicht. Wenn ein Gutachter sagt, die Behandlung war grob fehlerhaft, kann die Schlichtungskommission trotzdem zu dem Ergebnis kommen, dass kein Anspruch besteht. Ich habe hier alle Variationen erlebt. Mal gab es positive Gutachten und die abschließende Stellungnahme der Schlichtungsstelle war negativ, mal gab es negative Gutachten und die Schlichtungskommission befand, es bestehe ein Anspruch. So ein Verfahren dauert im Schnitt 12 bis 18 Monate. Die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen in Hannover kommt etwa in einem
Drittel ihrer Fälle zu dem Ergebnis, dass dem Patienten Schadenersatzansprüche zustehen.
Nach meiner Erfahrung liegt die Quote bei einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst höher. Ob das daran liegt, dass die von der Schlichtungsstelle beauftragten Gutachter zumindest in Zweifelsfällen eher zugunsten der Ärzte entscheiden, kann ich nicht beurteilen. Es gibt Patientenanwälte, die dieser Auffassung sind. Ich denke eher, dass sich der Unterschied dadurch erklärt, dass die Schlichtungsstellen – anders als der Medizinische Dienst – bei ihrer Bewertung auch die Sichtweise der Ärzte berücksichtigen können. Für das Schlichtungsverfahren spricht, dass der zweistufige Begutachtungsprozess häufig zu tragfähigeren Ergebnissen führt und dass die Sichtweise der Ärzte von vornherein berücksichtigt wird.
In das Schlichtungsverfahren ist die Haftpflichtversicherung der behandelnden Ärzte eingebunden. Das führt dazu, dass dort die Bereitschaft, ein für den Patienten günstiges Ergebnis des Schlichtungsverfahrens zu akzeptieren, vergleichsweise hoch ist. Das sind Gründe, die mich oftmals dazu bewegen, meinen Mandanten ein Schlichtungsverfahren zu empfehlen.
Ich gebe gerade Sachverhalte, die sehr komplex sind, gern an die Schlichtungsstellen. Eine Einigung bei einem positiven Gutachten ist dann leichter zu erzielen.
Sachverständige
Wenn die Gerichte einen Sachverständigen hinzuziehen, dann schreiben sie im Allgemeinen die Ärztekammer an. Sie wählen dafür oft eine Ärztekammer aus einer anderen Region, um zu vermeiden, dass der Sachverständige den betroffenen Arzt kennt. Inhaltlich muss er natürlich aus demselben Fachgebiet kommen. Die Ärztekammer schickt eine Liste mit Namen, von denen nach genauerer Betrachtung des Gerichts nur ein paar infrage kommen, die von beiden Parteien akzeptiert werden können. Das Gericht fragt dann an, ob er oder sie bereit wäre, den Fall zu begutachten, nennt einen Abgabetermin und verschickt die Unterlagen. Sachverständige sind also vom Gericht bestellte Gutachter.
Privatgutachten
In vielen Fällen kann ich selbst einschätzen, ob etwas falschgelaufen ist. Für das Mediziner-Einmaleins brauche ich keine Gutachter. Wenn mir zum Beispiel jemand ein Bild zeigt, auf dem eindeutig eine Fraktur zu sehen ist, die nicht therapiert worden ist, muss ich kein Radiologe oder Unfallchirurg sein, um zu wissen, dass diese Fraktur übersehen wurde. Dann gibt für mich nur die Frage, was
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