Behemoth - Im Labyrinth der Macht
keine Kopiloten in den vier Läufern. Deshalb übernahm Alek das Navigieren, und Deryn würde, sobald der Kampf begann, die Entfernungen für den Wurfarm ausmessen. Deryn hatte noch nie als Richtschütze gearbeitet, doch als Fliegerin konnte sie Distanzen aus der Höhe sehr gut einschätzen – sie musste nur daran denken, in Metern zu rechnen und nicht in Yards.
»Der Dschinn schreitet durch die Straßen.«
Deryn sah wieder auf die Karte. Die zeigte vier unterschiedliche Routen zur Tesla-Kanone. Aleks Weg war rot markiert. Diese vier Läufer brachen auf, ehe der Hauptangriff begann, und sie durften keinen Verdacht erregen, indem sie zusammen anmarschierten. Knifflig war es jedoch, gleichzeitig am Ziel einzutreffen.
Auf der Karte waren ebenfalls die Positionen der über vierzig Läufer eingetragen, die zum Komitee gehörten und die eine Stunde später in Aktion treten sollten. Deryn fragte sich, ob es unter diesen Besatzungen Spione gab, die bereit waren, den Plan des Komitees für einen Haufen Gold an den Sultan zu verkaufen.
Zumindest blieb der Überfall auf die Tesla-Kanone geheim, dessen war sie sicher. Zaven selbst hatte erst heute Nachmittag davon erfahren. Er war ein wenig wütend geworden, weil man ihm nichts verraten hatte, bis er begriff, dass er durch die Planänderung nicht gegen die großen Geschütze der Goeben kämpfen musste.
Natürlich nur, solange die Admiralität den Termin für die Ankunft des Behemoths nicht verschoben hatte.
»Hast du dir eigentlich mal überlegt, was alles in die Hose gehen kann?«, fragte Deryn. »Auch mit gutem Willen können die besten Pläne scheitern.«
»Fah!«, machte Bovril und imitierte Zavens Ton.
»Siehst du?«, fragte Alek. »Sogar dein perspikuitiver Freund ist zuversichtlich.«
Deryn sah das Tierchen an. »Hoffentlich behält er recht.«
In den fast leeren Straßen von Istanbul kamen sie gut voran. Im letzten Monat hatten die Läufer des Komitees Nachtmärsche geübt, und zwar unter dem Vorwand, Räuber abschrecken zu wollen. Aus diesem Grund wurde der Dschinn von niemandem weiter beachtet.
Am Stadtrand hörten die Häuser nach und nach auf, und schließlich marschierte der Dschinn über eine staubige Landstraße, die kaum breit genug für den Läufer war. Der Rock, den die Dampfkanonen um die Hüfte bildeten, peitschte an beiden Seiten durch die Bäume. Aus den Fenstern eines dunklen Gasthauses an einer Kreuzung schauten neugierige Gesichter. Früher oder später würde sich jemand die Frage stellen, was ein Läufer aus den Gettos von Istanbul draußen auf dem Land zu suchen hatte.
Aber sie waren ihrem Ziel nahe und so spielte das keine Rolle mehr. Der Boden stieg an und wurde felsiger, wo sich die Klippen erhoben. Aus dem hinteren Sichtfenster des Läufers konnte man die glitzernde Lichterpracht der Stadt in der mondlosen Nacht sehen.
Hundert Masten und Schornsteine ragten jenseits des schwarzen Wassers auf, und Deryn fragte sich erneut, was geschehen würde, wenn die Leviathan abgeschossen würde. Würde der Behemoth einfach davonschwimmen oder zwischen diesen unbewaffneten Schiffen der Raserei verfallen?
Sie schüttelte den Kopf. Heute Nacht durften sie nicht scheitern.
Sie waren nur noch einige Meilen von der Tesla-Kanone entfernt, als sich ein Scheinwerfer in die Dunkelheit bohrte.
Deryn blinzelte – sie entdeckte blitzenden Stahl und die Umrisse eines Rüssels und eines Schwanzes.
Einer der Kriegselefanten des Sultans versperrte ihnen den Weg.
»Entfernung?«, fragte Alek ruhig.
»Ungefähr tausend Yards. Also neunhundert Meter.«
Alek nickte und zog einen Hebel. Aus dem Magazin rollte eine Gewürzbombe in die Hand des Dschinns. Deryn stieg der Geruch in die Nase und sie zuckte zusammen. Selbst in Öltuch eingewickelt, entwich den Bomben jedes Mal wenn sie bewegt wurden, ein Schwall Staub, der in den Augen brannte.
»Abdeckung schließen«, sagte Alek.
»Aye, Euer Prinzlichkeit.« Deryn betätigte die Handkurbel. Die Stirn des Dschinns kam langsam herunter und verdeckte die Sterne.
Alek feuerte die Motoren und die Dampfkessel an. Die Maschine holte mit dem rechten Arm langsam aus.
Aus dem Kriegselefanten schrie ihnen jemand etwas durch eine Flüstertüte zu. Deryn verstand keines der türkischen Worte, aber der Sprecher klang eher neugierig als aufgebracht. Soweit die Osmanen wussten, waren die Dschinns unbewaffnet.
»Die fragen sich bestimmt bloß, was wir hier treiben«, murmelte Deryn. »Kein Grund, nervös zu
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