Behemoth - Im Labyrinth der Macht
gebeten hätte, doch der war nicht hier. Er reichte Alek die Tasche, der grunzte, als er bemerkte, wie schwer sie war.
Natürlich hatte Volger das Gold getragen.
Das Tier imitierte das Grunzen und Alek seufzte. Es war erst eine Stunde alt und begann schon, ihm auf die Nerven zu gehen.
»Hoffentlich lernst du bald ein paar neue Tricks«, flüsterte er, woraufhin das kleine Ding nur blinzelte.
Bauer schulterte die beiden anderen Taschen. »Wo entlang, Hoheit?«
»Wollen Sie andeuten, dass Graf Volger Ihnen keine weiteren geheimen Instruktionen mitgegeben hat?«
Bauer blickte Klopp an, der nur mit den Schultern zuckte.
Alek holte tief Luft. Jetzt hing alles von ihm ab.
Im Westen lag Europa, das sich dem Wahnsinn und dem Krieg ergeben hatte. Im Osten erstreckte sich das Osmanische Reich riesig und fremd nach Asien hinein. Und diese beiden Kontinente wurden von der uralten Stadt Konstantinopel miteinander verbunden.
»Wir bleiben erst einmal in der Hauptstadt. Wir brauchen neue Kleidung … und vielleicht Pferde.« Alek zögerte. Mit dem Goldbarren könnten sie sich einen eigenen Läufer kaufen, wenn sie wollten. Ihnen boten sich unbegrenzte Möglichkeiten. »Sicherlich gibt es in der Stadt Händler, die Deutsch verstehen.«
»Äußerst vernünftig«, sagte Klopp. »Und wohin heute Nacht, junger Herr?«
Bauer nickte und starrte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Im Wald herrschte Stille, doch am Horizont leuchtete der Suchscheinwerfer.
»Zunächst eine Stunde nach Westen«, sagte Alek. »Dann schlagen wir einen Bogen zurück zur Stadt. Vielleicht entdecken wir ein nettes Gasthaus.«
»Ein Gasthaus, Herr? Werden die Osmanen nicht nach uns suchen?«, fragte Bauer.
Alek dachte einen Augenblick lang nach und schüttelte dann den Kopf. »Sie werden nicht wissen, nach wem sie suchen sollen, solange die Darwinisten es ihnen nicht verraten. Und die werden sich hüten.«
Klopp runzelte die Stirn. »Warum?«
»Verstehen Sie nicht: Die Darwinisten wollen nicht, dass wir erwischt werden.« Während Alek die Worte aussprach, wurden seine Gedanken klarer. »Wir wissen zu viel über die Leviathan – über die Motoren und über den Sinn ihrer Mission. Es nützt ihnen nichts, wenn wir den Osmanen in die Hände fallen – im Gegenteil!«
Klopp nickte langsam. »Sie können behaupten, nur Volger und Hoffmann hätten die Flucht versucht, und die hätten sie gefangen. Dann gibt es niemanden, nach dem gesucht werden muss!«
»Exakt«, antwortete Alek. »Und als Kriegsschiff muss die Leviathan das neutrale Territorium morgen wieder verlassen. Sobald sie abgeflogen sind, wird niemand wissen, dass wir hier sind.«
»Und die Deutschen, Hoheit?«, fragte Bauer leise. »Die haben den Sturmläufer in den Alpen gesehen, und zwar mitsamt dem Habsburger Wappen, und unsere Motoren haben sie auch an der Leviathan gesehen. Die müssen doch wissen, dass wir an Bord waren, und bestimmt werden sie ahnen, wer da einen Fluchtversuch unternommen hat, selbst wenn es den Osmanen entgangen ist.«
Alek fluchte. Überall in Konstantinopel trieben sich deutsche Agenten herum und der Aufruhr heute Nacht war nicht zu übersehen gewesen.
»Sie haben recht, Bauer. Aber hier im Wald gibt es bestimmt keine Deutschen. Ich würde sagen, wir schlafen heute Nacht in einem Gasthaus – und zwar in einem ruhigen und bequemen, in dem man Goldspäne als Bezahlung annimmt. Morgen sorgen wir für eine anständige Tarnung.«
Er schritt in die Dunkelheit hinein und legte im letzten Schimmern des Suchscheinwerfers die Richtung fest. Die anderen zwei nahmen ihre Taschen und folgten ihm. Kein Widerspruch, keine Diskussion.
So einfach hatte Alek den Befehl übernommen.
16. Kapitel
Deryn trug das Tablett ganz vorsichtig, weil sie sich selbst kaum zutraute, gerade zu gehen.
Wegen der Flucht der Mechanisten war sie die ganze Nacht wach gewesen. Sie war in den Schlag gekrochen, um die Kampffalken fliegen zu lassen, hatte sich von einer Meute aufgeregter Schnüffler durch die Gegend zerren lassen und dann die Offiziere begleitet, die alles den osmanischen Behördenvertretern erklärten, in deren Augen es einen Micker zu dreist war, ohne Erlaubnis auf dem Flugplatz herumzutoben.
Als Deryn endlich einen Moment Zeit fand, um im Maschinenraum vorbeizugehen, hatte sich Dr. Barlow dort bereits eingefunden. Eins der Eier war in der Nacht geschlüpft, aber das Neugeborene war verschwunden!
Eigenartigerweise schien sich Dr. Barlow darüber kaum aufzuregen.
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