Behemoth - Im Labyrinth der Macht
absah.
Deryn schluckte. Bei ihrem ersten Kommando war ein Mann getötet worden und alle anderen waren in Gefangenschaft geraten.
Mit lautem Knirschen rumpelte der Skorpion näher an die Leiche heran. Eine der massiven Klauen grub sich in den Sand und hob die leblose Gestalt in die Luft. Die Osmanen brachten ihre Männer irgendwohin, vermutlich an einen Ort, wo sie die Überlebenden verhören und ihre Uniformen sowie die Ausrüstung genauer unter die Lupe nehmen konnten.
Sicherlich dauerte es nicht lange, bis sie zu der Erkenntnis gelangten, dass der Landetrupp von der Leviathan stammen musste, selbst wenn sie es nicht längst aus Matthews herausgeholt hatten. Aber ihre Männer wussten nichts über die Ätzenden Rankenfußkrebse, und auch wenn die Osmanen ihre Netze inspizierten, würden sie die paar Tierchen mehr unter den vielen anderen an den meilenlangen Trossen nicht bemerken.
Hoffentlich würden sie die drei Flieger für Angehörige eines Spähtrupps halten, der bei seinem Vorhaben komplett gescheitert war. Die Osmanen würden vermutlich beim Kapitän der Leviathan Protest erheben, doch soweit sie sehen konnten, war diese Mission kein kriegerischer Akt. Deryn war die Einzige, die ihnen etwas anderes hätte erzählen können.
Sie musste hier verschwinden, sonst setzte sie den Erfolg ihres Unternehmens aufs Spiel. Es hatte keinen Sinn, den Helden zu spielen und zu versuchen, ihre Männer zu retten, und auch nicht, zur Sphinx zurückzukehren. Die Osmanen würden in den folgenden Wochen die ganze Halbinsel genauestens überwachen.
Für sie hingegen gab es jetzt nur ein Ziel.
Deryn starrte hinaus aufs schwarze Wasser, wo das Frachtschiff, das ihr vorhin aufgefallen war, darauf wartete, in die Meeresenge einzufahren. Sobald die Sonne aufging, würde es sich nach Istanbul aufmachen.
»Alek«, sagte sie leise und glitt wieder ins Wasser.
25. Kapitel
Die Minarette der Blauen Moschee reckten sich hinter den Bäumen in die Höhe wie sechs angespitzte Bleistifte. Die erhabene Kuppel des Hauptraums hob sich dunkelgrau gegen den dunstigen Himmel ab und die Sonne glitzerte auf den Propeller- und Rotorblättern von Flugzeugen und Gyrokoptern.
Alek saß vor dem kleinen Kaffeehaus, zu dem Eddie Malone ihn am Tag zuvor geführt hatte. Es lag in einer ruhigen Seitenstraße und Alek nippte an einem schwarzen Tee und betrachtete seine Sammlung osmanischer Münzen. So langsam begriff er, welche er den Verkäufern lieber nicht gleich unter die Nase halten sollte, wenn er einen fairen Preis erzielen wollte.
Nachdem die Deutschen überall Fotografien von Bauer und Klopp verteilt hatten, fiel Alek die Aufgabe zu, einkaufen zu gehen. Während er allein durch die Straßen von Istanbul streifte, lernte er eine Menge, zum Beispiel wie man mit Händlern feilschte, wie man unbemerkt durch den deutschen Teil der Stadt schlich und wie man anhand der Gebete, die von den Minaretten heruntergesungen wurden, die Uhrzeit bestimmen konnte.
Am wichtigsten erschien ihm jedoch eine ganz andere Erkenntnis, zu der er in dieser Stadt gelangt war: Das Schicksal hatte ihn hierhergeschickt. Hier würde der Krieg seine entscheidende Wende nehmen, entweder für oder gegen die Mechanisten. In der Ferne schimmerte ein schlanker Streifen Wasser, und die Nebelhörner der Frachtschiffe klagten leise, während sie dort entlangfuhren. Diese Passage vom Mittelmeer zum Schwarzen Meer war die Lebensader der russischen Armee, der dünne Faden, der die darwinistischen Mächte zusammenhielt. Aus diesem Grund hatte ihn die Vorsehung durch halb Europa geführt.
Alek war hier, um den Krieg zu beenden.
Und in der Zwischenzeit hatte er außerdem ein bisschen Türkisch gelernt.
»Nasilsiniz?«, übte er.
»Iyiyim«, kam die Antwort aus dem abgedeckten Vogelkäfig auf dem Tisch.
»Pst!« Alek blickte sich um. Tierschöpfungen waren in dieser Stadt vielleicht nicht strikt verboten, aber wozu sollte er unnötige Aufmerksamkeit auf sich lenken? Außerdem setzte es ihm zu, dass das Tierchen akzentfreier sprach als er selbst.
Er zog die Abdeckung des Käfigs zurecht und schloss die Lücke, durch die das Tier herausgeguckt hatte. Aber es schmollte schon in der Ecke. Wenn es darum ging, Aleks Stimmung zu erspüren, war es unschlagbar, und das verärgerte ihn im Augenblick zusätzlich.
Und überhaupt, wo steckte Eddie Malone? Er hatte vor einer halben Stunde hier sein wollen und in Kürze hatte Alek bereits die nächste Verabredung.
Gerade wollte er sich aufmachen, als
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