Beherrscher der Zeit
er sie zu sehen vermeint hatte, befand sich der heizkesselähnliche Behälter mit seiner schweren stählernen Tür. Ein halbes Dutzend der tierischen Gestalten kam auf ihn zu. Schon einen Augenblick später schoben sie ihn dem gähnenden Schlund entgegen.
Am zweiten Tag wagte Norma das Risiko. Durch das Fenster des ehemaligen Rekrutierungsbüros sah sie immer noch das gleiche kahle Innere. Die Polizei hatte die Poster mit den kalonischen Progagandasprüchen heruntergerissen. Nun lagen sie zusammen mit den Zeitungsausschnitten von schweren Stiefeln zertrampelt überall auf dem Boden herum. Die Tür zum Hinterzimmer stand halb offen, aber es war zu dunkel, um hineinsehen zu können.
Es war Mittag. Norma nahm all ihren Mut zusammen und ging mit schnellen Schritten zum Vordereingang. Am Schloß war nichts verändert worden. Es sprang sofort auf, als sie den Schlüssel umdrehte. Sie trat hinein ins Büro, und einen Augenblick später schob sie die Tür zum Hinterzimmer ganz auf.
Die Maschine war nicht mehr da. Druckstellen im Fußboden verrieten, wo sie so viele Monate gestanden hatte. Aber sie selbst war so vollkommen verschwunden wie Dr. Lell, wie die tierischen Gestalten und Jack Garson.
Als sie am ganzen Leib zitternd in ihrem Apartment zurück war, ließ sie sich auf das Bett fallen und bemühte sich, über die schreckliche Nervenanspannung der Durchsuchung hinwegzukommen.
Am Nachmittag des vierten Tages, während sie auf die Buchstaben eines Buches stierte, ohne sie aufzunehmen, spürte sie plötzlich ein Prickeln in ihrem Körper. Irgendwo vibrierte ganz sanft eine Maschine – die Maschine!
Sie sprang auf und vergaß das Buch, das merkwürdigerweise nicht auf den Boden, sondern auf das Fensterbrett gefallen war.
Aber das sanfte Geräusch war nicht mehr zu hören, nicht die geringste Vibration mehr zu spüren. Der. Gedanke überwältigte sie: Einbildung, alles Einbildung! Ihre Nerven hatten ihr einen Streich gespielt.
Während sie noch steif aufrecht stand, unfähig, sich zu entspannen, hörte sie das Quietschen der Angeln einer sich im Parterre öffnenden Tür. Es war zweifellos die des Hinterzimmers zum leeren Hof, den sie von ihrem Fenster überblicken konnte.
Die Hintertür war geöffnet und jetzt geschlossen worden!
Als sie fasziniert aus dem Fenster starrte, kam Dr. Lell in ihr Blickfeld. Ihre Gedanken, daß sie ihn sah und erkannte, waren scharf und eindringlich. Er mußte sie gespürt haben, aber er drehte sich nicht um. Nach einer kurzen Weile war er aus ihrer Sicht verschwunden.
Am fünften Tag drang Hämmern zu ihr herauf. Schreiner waren am Werk. Mehrere Lastwagen hielten vor der Tür, und sie hörte die Stimmen mehrerer Männer, ohne jedoch zu verstehen, worüber sie sprachen.
Am Abend wagte sie sich jedoch erst hinunter. Sie sah den ersten Schritt der geplanten Veränderung. Die alte Bank und der Schreibtisch waren aus dem Büro verschwunden, aber noch durch kein neues Mobiliar ersetzt worden. Dafür lehnte ein roh beschriftetes Schild an einer Wand:
ARBEITSVERMITTLUNG
Stellen für Männer frei!
Stellen für Männer frei! So machten sie es also jetzt! Eine neue Männerfalle! Diese gefräßigen Armeen der Zukunft mußten gefüttert werden! Der unvorstellbare Krieg in einer unvorstellbaren Zukunft ging weiter!
Sie sah wie erstarrt zu, als Dr. Lell aus dem Hinterzimmer trat. Er schritt zur Vordertür. Hilflos blieb sie stehen, während er sie öffnete, hinaustrat und sie dann wieder sorgfältig verschloß.
Einen Augenblick später stand er neben ihr, so schweigend wie sie, und auch er blickte durch das Fenster.
Schließlich sagte er: »Ich sehe, Sie bewundern unser neues Unternehmen!«
Seine Stimme klang höflich und ohne jegliche Drohung.
Sie schwieg, und er schien auch keine Antwort zu erwarten, denn er sagte fast unmittelbar darauf im gleichen normalen Gesprächston:
»Es macht nichts aus, daß geschah, was geschehen ist. Nichts, was ich Ihnen sagte, wurde dadurch geändert. Ich erklärte Ihnen – entsinnen Sie sich? –, daß eine Zeitüberprüfung festgestellt hatte, die Maschine würde auch noch in einigen Jahren hier stehen. Natürlich konnten wir nicht jeden einzelnen Tag oder jede Woche dieser Zeitspanne kontrollieren. Dieser unbedeutende Zwischenfall blieb also unbemerkt, aber er ändert nicht das geringste an der allgemeinen Situation.
Die Tatsache, daß unser früheres Rekrutierungsbüro jetzt eine Arbeitsvermittlung ist, schien zur Zeit der Untersuchung nur
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