Beherrscher der Zeit
hier.
Ein junger Bursche versuchte, seinen Arm um ihre Schultern zu legen, aber sie schüttelte ihn ab, kämpfte sich weiter. Ein anderer schloß sie einfach in seine bärenstarken Arme, preßte sie heftig an sich und küßte sie anhaltend. Aber ihre Entschlossenheit verlieh ihr ungewohnte Kraft. Fast mühelos, mit einemmal, gelang es ihr, einen Arm freizubekommen. Sie schlug dem frechen Kerl ins Gesicht. Der Mann lachte gutmütig und ließ sie los, aber er stapfte neben ihr her, als sie sich weiter durch die Menge stürzte.
»Macht den Weg für die Dame frei!« rief er.
Und fast wie durch Zauber war plötzlich eine Gasse für sie offen und sie stand vor dem Schaufenster.
Ein großes Schild hing dort:
ERFAHRENE, ABGEMUSTERTE SOLDATEN
FÜR GEFÄHRLICHES ABENTEUER GESUCHT!
BESTE BEZAHLUNG!
Sie fühlte sich wie ausgelaugt, als ihr bewußt wurde, daß das hier eine weitere Männerfalle war.
Benommen starrte sie durch das Fenster in einen großen quadratischen Raum mit einem Dutzend Männern. Nur drei von ihnen waren Rekruten. Von den anderen neun war einer ein amerikanischer Soldat in der Uniform des zweiten Weltkriegs. Er saß hinter einem Schreibtisch und tippte mit zwei Fingern auf einer Schreibmaschine, über ihn beugte sich ein römischer Legionär aus der Zeit Julius Cäsars, komplett mit Toga und Kurzschwert. Neben der Tür, angestrengt damit beschäftigt, die drängelnde Menge zurückzuhalten, standen zwei griechische Krieger aus Perikles' Zeiten.
Die Epochen, aus denen sie kamen, erkannte sie sofort. Nicht umsonst hatte sie vier Jahre Latein und Griechisch studiert und selbst aktiv an Schauspielen teilgenommen, in Originalkostümen natürlich, die in diesen beiden Perioden handelten. Doch da war noch ein weiterer Mann in antikem Kostüm, von dem sie nicht wußte, wo sie ihn einordnen sollte. Im Augenblick saß er hinter einem niedrigen Pult und interviewte einen der drei Rekruten.
Von den vier restlichen trugen zwei Uniformen, die eine Weiterentwicklung der gegenwärtigen amerikanischen sein mochten. Der Stoff war von hellgelber Färbung, und beide Männer hatten auf ihren Schulterstücken ein goldenes Blatt. Offenbar hatte es auch zu ihrer Zeit dieses Rangabzeichen eines Majors noch gegeben.
Die übrigen beiden wirkten fremdartig, nicht im Gesichtsschnitt, sondern aufgrund des Materials ihrer Uniform, die aus Kniehose und enger Jacke ganz in Blau bestand – einem Blau, das wie Millionen Brillantsplitter glitzerte. Doch obwohl ihre Uniform geradezu leuchtete, schien sie ihr nicht irgendwie besonders auffallend.
Während sie sie noch beobachtete, wurde einer der Rekruten zu der Hintertür begleitet. Erst jetzt fiel ihr überhaupt auf, daß es eine Hintertür gab. Als sie sich öffnete, sah sie ganz flüchtig die kompakte Maschine, und einen Herzschlag lang einen Mann, der hochgewachsen und von dunkler Gesichtsfarbe war. Ein Mann, der Dr. Lell hätte sein können. Nur war er es nicht. Aber die Rassenmerkmale waren unverkennbar.
Die Tür schloß sich. Einer der Griechen, der den Eingang von der Straße her bewachte, rief:
»Okay, Jungs. Zwei weitere von euch können hereinkommen!«
Das Gedränge wurde noch schlimmer. Zwei aus den vorderen Reihen hatten es geschafft. Die beiden Sieger grinsten und atmeten schwer von der Anstrengung, als die Griechen die Tür hinter ihnen wieder schlossen. In dem folgenden Schweigen wandte einer der perikleischen Krieger sich an seinen Kameraden und brummte in einer scharfklingenden, fast unverständlichen Version des antiken Griechisch:
»Nicht einmal Sparta hatte willigere Kämpfer. Es verspricht ein guter Fang zu werden heute nacht.«
Der Rhythmus der Worte und die Begeisterung, mit der sie in einem merkwürdigen Dialekt gesprochen wurden, ließ sie den Sinn fast nicht verstehen. Nach kurzer Überlegung gelang ihr jedoch eine mentale Übersetzung. Und nun war ihr die Wahrheit klar. Die Männer aus der Zukunft waren sogar bis ins alte Griechenland vorgedrungen, um Rekruten anzuwerben. Und immer hatten sie den wirkungsvollsten Köder verwendet, der die Schwächen, aber auch die tiefen Gefühle der Männer ansprach.
KÄMPFT FÜR KALONIEN! Ein Appell an den Idealismus.
STELLEN FÜR MÄNNER FREI! Der natürlichste aller Appelle – Arbeit, die Essen, Glück und Sicherheit bringt.
Und jetzt war die Version ein Appell an erfahrene Soldaten – ABENTEUER BEI BESTER BEZAHLUNG!
Teuflisch! Und doch so wirkungsvoll, daß sie als Rekrutierungsoffiziere sogar jene
Weitere Kostenlose Bücher