Beherrscher der Zeit
eine Miß Norma Matheson, die rein mathematisch unfähig ist, die ihr zuteil gewordene Kraft auszunutzen. Sie muß in ständiger Verwirrung gehalten werden, damit sie nicht imstande ist, sich zu konzentrieren.«
Sie spürte den schneidenden Hohn und die Verachtung in seinen Gedanken.
»Die gegebene Lösung, sie schnellstens zu vernichten«, fuhr Dr. Lell fort, »ist eine Zusammenziehung der Kräfte dritten Grades, nichtmechanischer Art, nach Plan A4. Maßnahmen!«
»Sofortige Maßnahmen!« bestätigte der kalte, unmißverständliche Gedanke der Beobachtungsmaschine.
Das war das Todesurteil, beziehungsweise bereits der Tod.
Norma gab jede Hoffnung auf und blieb heftig atmend lang ausgestreckt auf der Oberfläche der Maschine liegen. Jegliche Kraft hatte sie verlassen, und ihr Gehirn schien ihr mit einemmal wie ausgebrannt.
Eine Minute verging. Sie kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Lange genug jedenfalls, daß sie sich wieder fangen und einen neuen Entschluß fassen konnte.
Die Furcht und Hoffnungslosigkeit fielen von ihr ab, als hätte es sie nie gegeben, und das wundersame Gefühl, über ungeheure Macht verfügen zu können, kehrte zurück. Sie stand auf. Ihre Füße zitterten unter der großen Anstrengung, aber das erinnerte sie automatisch wieder an die Art und Weise, wie sie ihr Sehvermögen zurückgewonnen hatte. Intensiv dachte sie:
Schluß mit der Schwäche! Jeder Muskel, jeder Nerv, jedes Organ meines Körpers muß von jetzt an absolut leistungsfähig sein und ...
Ein seltsames Prickeln unterbrach ihren befehlenden Gedanken. Es begann in ihren Zehen und dehnte sich die Waden aufwärts aus. Es war ein herrliches Gefühl belebender Wärme, das plötzlich ihren ganzen Körper durchflutete. Und die Schwäche war verschwunden!
Einen Augenblick stand sie reglos, in höchstem Maße fasziniert. Sie zauderte, die Kräfte, die sie in sich spürte, voll auszuprobieren. Doch die ungeheuerliche Bedrohung festigte ihren Willen.
Sie dachte:
Keine weitere geistige Schwäche, keine Verwirrung mehr! Mein Gehirn muß mit aller Logik, deren ich fähig bin, funktionieren!
Was dann geschah, war nicht gerade befriedigend. Ihr Verstand schien stillzustehen. Einen Augenblick war die Leere in ihrem Gehirn absolut. Dann durchzuckte sie ein einzelner, simpler Gedanke, der sie jedoch voll erfüllte: GEFAHR! Denn hier gab es nichts anderes für sie als Gefahr, und sie mußte einen Ausweg aus dieser Gefahr finden.
Überlegungen schossen ihr kurz durch den Kopf. Wo war der Schlüssel? Sie mußte in ihre eigene Zeit zurück! Mußte heraus aus dieser Welt Dr. Lells. Mußte Aufschub gewinnen, um das Rätsel dieser gewaltigen Macht zu lösen, die sich unverständlicherweise in ihr konzentriert hatte.
Sie fuhr zurück, als eine schmale, etwa einen Meter lange Flammenzunge neben ihr das Metall zum Zischen brachte und weiter gegen die Decke schoß. Sie sah zu, wie sie von der Decke abprallte und über den Rand der Maschine aus ihrem Blickfeld verschwand. Sie mußte auf dem Fußboden aufgeschlagen sein. Doch unmittelbar darauf erschien sie wieder vor ihren Augen und sprang mit ungeschwächter Heftigkeit erneut gegen die Decke. Auf und nieder, auf und nieder hüpfte sie vor ihren Augen. Dann ganz plötzlich verlor sie an Kraft. Wie ein leerer brennender Sack brach sie zusammen und sank langsam zu Boden, wieder aus ihrem Blickfeld.
Ein zweiter Flammenstrahl brauste von der Stelle aus in die Höhe, auf die Dr. Lell zugeschritten war, als sie ihn zuletzt gesehen hatte. Die Flamme schlug gegen die Decke und prallte wie ein verzogener Gummiball ab, um erneut in die Tiefe zu sausen. Doch diesmal war sie bereit für sie. Ihr Geist tastete danach:
»Halt!« befahl sie. »Welche Energie dich auch bewegt, sie richtet nichts gegen mich aus.
Halt!«
Die Flamme verfehlte ihre rechte Hand nur um Zentimeter und schoß erneut zur Decke empor.
Von unten hörte Norma klar und deutlich die starke, spöttische Stimme Dr. Lells.
»Meine liebe Miß Matheson, das ist nur die erste der Energien dritten Grades, doch schon sie ist völlig außerhalb Ihrer Kontrolle. Und haben Sie vielleicht bemerkt, daß Ihr Verstand nicht ganz so kühl und logisch ist, wie Sie es ihm befohlen haben?« Er lachte höhnisch.
»Die Wahrheit ist nämlich: Obwohl Ihnen unbeschränkte Macht gegeben ist, können Sie sie nur einsetzen, wenn Sie die Kräfte dahinter verstehen, gleichgültig, ob bewußt oder unterbewußt. Die meisten Menschen haben eine verhältnismäßig klare
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