Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
haben.«
»Quatsch, wir sind hier im zweiten Stock.«
»Europäische Union und so.«
»Die kann mich mal, die Europäische Union. Dann sagen wir halt, er wollte uns nach Strich und Faden verarschen.«
Behzat Ç nahm seinen Platz in der schlecht ausgeleuchteten Ecke des Vernehmungszimmers ein, gab einen Zuckerwürfel in seinen Tee und begann, langsam umzurühren. Dabei blätterte er durch die Kladde und fragte sich, wo er anfangen sollte. Im gesamten Nachtbuch tauchte kein einziger Name auf, und Betül hatte nie explizit etwas zu einer bestimmten Person geschrieben. Als Harun sich vorbeugte, um den Stuhl anzuheben, auf dem Aykut saß, sagte er: »Laß ihn mal vorher noch seinen Tee trinken. Vielleicht fallen ihm dabei neue Ideen ein.«
»Der hat schon lange keine Ideen mehr. Wer nicht hören will, muß spüren.«
»Wer nicht hören will, muß fühlen, heißt das.«
»Ist auch egal. Ich werf ihn jedenfalls jetzt aus dem Fenster.«
Behzat Ç stand auf und sagte: »Bleib doch mal locker.«
Er nahm einen Tee vom Tablett und reichte ihn Aykut. Mit gemischten Gefühlen – ein wenig verwirrt, ein wenig ängstlich, nicht zuletzt auch dankbar – blickte Aykut seinen Wohltäter an.
»Laß uns nochmal ganz von vorne anfangen«, flötete der. »Wann haben Betül und du euch kennengelernt?»
»Vor drei Jahren.«
»Wo?«
»In einem Supermarkt. Betül hatte dort einen Studentenjob.«
»Was hat sie gemacht?«
»Käseverkostung.«
»Käse?«, fragte Harun. »Wie romantisch. Sag mal, hat dieses Mädchen nicht einen reichen Vater? Wieso mußte sie Käse verkosten?«
»Das sind Linke«, murrte Behzat Ç. »Die wollen ihr Geld durch eigene Arbeit verdienen. Trink deinen Tee.«
»Komische Linke sind das. Jeder treibt’s mit jedem. Zwei Geliebte auf einmal.«
Aykut nahm einen ersten Schluck von seinem Tee und sagte: »Ich bin kein Linker.«
»Dich mein ich gar nicht, Junge. Ich rede von Betül.«
»Die hatte auch nicht zwei Geliebte auf einmal.«
Harun sprach demonstrativ ein Gebet, das ihn vor groben Flüchen bewahren sollte, und marschierte ans andere Ende des Vernehmungszimmers.
»Herr Vorgesetzter, bin ich ein Psychopath?«
»Schwer zu sagen. Wieso?«
»Ich würde gern ein paar Kombi-Schläge an dem Kerl ausprobieren.« Unvermittelt wurde er laut. »Du Spinner, wenn du keine zwei Tussen hattest, wer hat dann mit Ayşen gepennt? Und wenn Betül keine zwei Typen hatte, wer war Gökhan?«
Aykut schaute Harun in die Augen und entgegnete mit der gleichen Schärfe: »Die Sache mit Gökhan ist schon zwei Jahre vorbei. Der Typ is’ nach England und hat Betül verlassen.«
Harun interessierte sich nicht für den Inhalt der Antwort, sondern nur für die Form.
»Du hast hier niemanden anzuschreien. Sieh dich vor, du scheiß Gigolo, sonst reiß ich dir den Arsch auf«, brüllte er. »Was meinst du denn, wer du bist, hier einen türkischen Polizisten anzuschreien, hä? Sachte, mein Lieber, sachte.«
Behzat Ç sog das Maximum an Zigarettenrauch ein, das ihm die 216 in seinem Mundwinkel gewährte, wobei er das linke Auge zukniff, damit ihm nichts entging. Er nickte Aykut zu und sagte: »Der macht das wirklich. Er ist ziemlich reizbar, wir werden auch kaum Herr über ihn.«
Harun stand zwei Schritte von Aykut entfernt und tat so, als müßte er durch die Nase schnaufen. Behzat Ç fragte: »Wenn das Mädel so eine stramme Linke war, was hatte sie dann mit Leuten wie euch zu tun?«
»So ist das nun mal an der Uni, da hat man nicht nur einen Freundeskreis, sondern ganz verschiedene Leute.«
Harun schrie: »Halt’s Maul, Klugschwätzer! So viel wissen wir auch noch über deine Uni.«
Cevdet stürmte ins Zimmer und legte eine Tüte mit Poğaça auf dem Tisch ab.
Harun riß das Paket auf und fragte seinen Vorgesetzten, ob er lieber mit Käse oder mit Oliven wolle. Für den machte es keinen Unterschied.
»Macht es für dich einen Unterschied?«
Da Aykut die Frage nicht verstand, blickte er nur verwirrt drein. Plötzlich zitterten seine Lippen, er zog die Nase hoch und begann, Rotz und Wasser zu flennen. Harun nahm einen ziemlich großen Bissen von seinem Poğaça und sagte mit vollen Mund: »Schämst du dich nicht? Sowas kann ich ja überhaupt nicht leiden. Du lügst uns die Hucke voll, und wir bieten dir einen Poğaça an. Warum? Weil wir noch an die Menschlichkeit glauben. Aber du flennst hier rum wie ein billiges Weib. Schäm dich!«
Aykut wischte sein Gesicht mit dem Handrücken ab und sagte: »Bitte glauben Sie
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