Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
überhaupt nicht so, wie Sie denken. Sie hat Recherchen für einen Artikel über Frauenprobleme gemacht, der in der Zeitschrift erscheinen sollte. Ob Frauen als Sexualobjekt benutzt und ausgebeutet werden. So Feminismuszeugs eben, da kenn ich mich nicht so gut mit aus. Bestimmt ist sie deshalb in den Sexshop. Um das mal vor Ort zu sehen.«
Erstaunt fragte Harun: »War sie etwa Feministin? Warst du mit einer Feministin zusammen?«
»Ganz ehrlich, ich hab keine Ahnung. Aber solange sie nicht gegen mich aufgemuckt hat, war es mir doch egal, ob sie Feministin oder sonstwas war. Sie war ein liebes Mädchen.«
»Bravo«, sagte Harun. »Das war der erste wahre Satz, den du gesagt hast.«
Unterdessen hielt Behzat Ç Aykut die Kladde vors Gesicht. Er zeigte ihm eine Zeile: »Lies mal hier. Was steht da?«
Aykut las vor: »Jemand ist hinter mir her. Ein Dicker mit Brille.«
»Wer war dieser Mann?«, fragte Behzat Ç.
»Ich weiß es nicht.«
»Wenn du nur einmal etwas wüßtest. Wurde sie verfolgt?«
»Manchmal hat sie sich in das Gefühl reingesteigert, daß sie verfolgt wurde. Aber sie war nicht wirklich paranoid.«
»Paranoid zu sein, bedeutet nicht, daß man nicht verfolgt wird«, sagte Harun.
»Stimmt«, sagte Aykut. »Das war ihr Lieblingssatz.«
Unterdessen bemerkte Behzat Ç etwas Seltsames zwischen zwei Heftseiten. Er prüfte mit seinen Fingern nach. Am Innenrand einer Seite waren die Überreste einer fehlenden Seite auszumachen. Auf den betreffenden Seiten hatte Betül ihre Gedanken über den Selbstmord niedergeschrieben. Als er sah, daß zwischen den Datumseinträgen ein Tag fehlte, dachte er sich:
Das wird doch wohl nicht
… Er verließ das Vernehmungszimmer und rief Recep an: »Bleib bloß an deinem Platz. Ich komme bei dir vorbei!«
15
Recep war über die zusätzliche Aufgabe, die ihm an einem Samstag aufgehalst wurde, alles andere als froh gewesen, doch nachdem er von Behzat Ç in dessen Vermutungen eingeweiht worden war, hatte er sich mit der Kladde auf den Weg zum Labor gemacht. Mittlerweile war es Abend geworden, ohne daß die Ergebnisse gekommen wären. Während sie im Halbdunkel die endlosen, bis auf halbe Höhe sattblau gestrichenen Korridore der Terrorbekämpfung entlanggingen, fragte Harun: »Kommt das denn noch am gleichen Tag?«
»Wenn sie wollen, schon.«
Sie waren im Begriff, Özcan abzuholen, dessen Vernehmung bei der Terrorbekämpfung abgeschlossen war. Bevor er an die Justiz übergeben wurde, wollten sie selbst ihn noch einmal befragen. Tahsin hatte ihr Antragsformular nur widerwillig unterzeichnet, befand aber für sich, alles Nötige veranlaßt zu haben, indem er Behzat Ç eine Nachricht hatte zukommen lassen: »Macht uns da bloß keine Schwierigkeiten!«
»Sie können mittlerweile feststellen, aus welchem Block oder Heft ein Blatt stammt«, sagte Behzat Ç. »Ist kein sonderlich schwerer Vorgang. Daß mit dem Brief irgendwas nicht stimmt, war doch von Anfang an klar.«
Am Ende des Korridors standen zwei fünfzehn- bis sechzehnjährige Jungen, die mit einer Handschelle aneinander gefesselt waren. Als der schnauzbärtige Beamte, der sie bewachte, mitbekam, daß die Jugendlichen sich fassungslos umsahen, stieß er einen von ihnen mit seinem Funkgerät an: »Dreht euch zur Wand.«
Die Jungen beschrieben eine Kreisbewegung um ihre eigene Achse und blickten jetzt die Wand an. Der Beamte wärmte seine Hände am Heizkörper. Als er Behzat Ç und Harun bemerkte, richtete er sich auf und grüßte. Harun fragte: »Na, was haben die Buben denn verbrochen?«
»Die kleinen Fürze schmieden schon Pläne, wie sie unser Land spalten können.«
»Stimmt gar nicht, was für Pläne?«
»Klappe!
Gündem
in der Hand und ’ne CD von Şivan Perwer in der Tasche. Und dann noch das Maul aufreißen.«
Als er sah, daß die Jugendlichen nun durch das Fenster den Garten des Präsidiums beobachteten, verpaßte er jedem der beiden einen Klaps auf den Hinterkopf.
»Guckt nach vorne, oder wollt ihr hier etwa Anschlagziele ausspähen?«
Harun kam den raschen Schritten seines Vorgesetzten kaum hinterher. Mit unverhohlener Genugtuung erstattete er die Meldung, daß Alp bis zu seiner Verurteilung in U-Haft bleiben würde: »Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Drogenhandel angeklagt, er kriegt mindestens fünf Jahre. Der wird Berna nicht mehr belästigen.«
Behzat Ç gab keine Antwort, sondern begnügte sich mit einem Kopfnicken. Sobald er sich an Alps Worte erinnerte, stellte er sich vor, wie er eine
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