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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sveva Casati Modignani
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beruhigend zuflüsterte: »Es ist mitten in der Nacht, schlaf!«
    Gioia steckte sich den Schnuller wieder in den Mund, reckte sich, schloss die Augen und schlief ein.
    Â»Wie schön sie sind!«, sagte Guido, als er mit seiner Frau ins Schlafzimmer zurückkehrte.
    Â»Sie sind so sorglos«, bemerkte sie.
    Â»Glaubst du, sie werden uns von ihren kleinen und großen Dramen erzählen, wenn sie älter sind?«, fragte er.
    Â»Zu ihrem eigenen Vorteil werden wir dafür sorgen, dass sie nicht zu lange hier wohnen bleiben«, erwiderte sie.
    Â»Das Schweigen und die Geheimnistuerei in diesem Haus sind ansteckend. Auch du hast dich angesteckt«, rutschte es Guido heraus.
    Léonie ging nicht weiter auf die Anspielung ein und sagte stattdessen: »Ich hätte gern noch ein Kind.«
    Â»Ich auch«, stimmte ihr Guido zu.
    Â»Aber ganz zärtlich!«
    In dieser Nacht zeugten sie Giacinta. Guido hielt seine Frau fest im Arm und dachte vor dem Einschlafen: »Morgen werde ich die Spionin anrufen und sie bitten aufzuhören. Ich will Léonies Geheimnisse gar nicht wissen, so wie sie auch meine nicht weiß.«
    Léonie lag still neben ihm und redete sich ein, dass sie wirklich glücklich war. Keine Sekunde wünschte sie sich, noch einmal jung zu sein und das schwierige, unglückliche Leben zu führen, das ihr vor ihrer Hochzeit mit Guido bestimmt gewesen war.

Léonie

1
    L éonie, was hast du denn um diese Zeit hier zu suchen?«
    Das Kind, das sich auf der Bank in der Platanenallee vor und zurück wiegte, zuckte zusammen und sah die alte Thérèse mit großen Augen an, die mit ihrer besten Freundin Ninette vor ihr stand.
    Â»Erklär mir bitte, was ein so kleines Mädchen wie du hier draußen macht, obwohl es längst dunkel ist!«, sagte Ninette tadelnd.
    Die beiden alten Damen nahmen sie wie zwei Schutzengel in ihre Mitte. Léonie musterte ihre dunklen Kleider und ihre schweiß glänzenden Gesichter. Es war Juli, und trotz der Dunkelheit hatte sich die Luft noch nicht abgekühlt. Sie wusste, dass die beiden Freundinnen gerade von ihrer Runde durch die Altstadtlokale zurückkamen, wo sie frische Lavendelsträußchen und Säckchen mit getrockneten Lavendelblüten verkauft hatten.
    Â»Wartest du auf deine Mutter?«, fragte Thérèse.
    Die Kleine nickte.
    Nadine Tardivaux würde hier auf dem Heimweg vorbeikommen. Léonie würde sie sehen und ihr entgegenlaufen, und dann würde ihre Mutter sie vielleicht umarmen.
    Thérèse und Ninette wussten, dass das Mädchen Angst hatte, nachts allein zu bleiben, und das wusste auch die Mutter, die Léonie jeden Abend vor dem Ausgehen zwang, eine Tasse Kamillentee zu trinken – in der Hoffnung, dass sie dann schneller einschlief. Aber Léonie hatte wie alle ängstlichen Kinder einen leichten Schlaf und wachte schon beim geringsten Geräusch auf. Wenn sie dann ihre Mutter nicht fand, zog sie sich aus Angst vor der Einsamkeit an und verließ das Haus, um draußen auf sie zu warten.
    Â»Wie oft habe ich dir gesagt, dass du das Haus nachts nicht verlassen darfst? Wenn dich ein Gendarm sieht, nimmt er dich mit aufs Revier. Das weißt du doch, oder?«, ermahnte Thérèse sie.
    Â»Na ja, besser ein Gendarm als irgendein Tourist mit Hintergedanken!«, mischte sich Ninette ein.
    Â»Komm mit, Kleine! Wir gehen jetzt nach Hause«, sagte Thérèse.
    Léonie gehorchte. Die beiden Freundinnen und die Familie Tardivaux wohnten im selben Haus zu Füßen des Château de l’Empéri, in dem einst die Bischöfe von Arles gelebt hatten und das anschließend viele französische Könige beherbergt hatte.
    Das Mädchen wusste, dass Thérèse sie in ihrem Bett schlafen lassen würde, einem riesigen Paradebett, in das sie mithilfe eines Stuhls klettern musste. Hätte sie dann, umgeben vom Lavendelduft aus Gazesäckchen am Kopfende, erst einmal dem Schnurren der Katze gelauscht, die sich am Fußende zusammengerollt hatte, würde sie selig einschlafen. Sie wusste auch, dass sich Nadine bei ihrer Heimkehr keine Sorgen um sie machen würde, denn es kam oft vor, dass die Tochter bei der Nachbarin schlief. Sie hatte sie aufwachsen sehen und sich jedes Mal wie eine Großmutter um sie gekümmert, wenn die Mutter das Kind allein ließ.
    Jetzt riss Thérèse das Fenster auf, das den ganzen Tag geschlossen gewesen war, um die endlich

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