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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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was sie betraf, und daß er ziemlich hart daran arbeitete.
    Adamsberg warf ihr einen letzten Blick zu, bevor er hinausging. Sabrina tat ihm manchmal leid, aber Sabrina war eine ebenso gefährliche wie ephemere Mörderin, dachte er.
    Er ging ruhigen Schrittes zu einer Bar, die er zwei Jahre zuvor sechshundert Meter von seiner Wohnung entfernt entdeckt hatte und die für ihn etwas Vollkommenes besaß. Es war ein irischer Pub aus Ziegelsteinen, mit dem Namen Les Eaux Noires de Dublin, die Schwarzen Wasser von Dublin, in dem ein beträchtlicher Lärm herrschte. Kommissar Adamsberg mochte die Einsamkeit, in der er seine Gedanken ins Offene hinaustreiben ließ, aber er mochte auch die Menschen, die Bewegungen der Menschen, und er nährte sich wie eine Mücke von ihrer Anwesenheit. Das einzig Störende an den Menschen bestand darin, daß sie pausenlos redeten, so daß ihre Gespräche beständig seinen Geist beim Umherstreifen störten. Das legte einen Rückzug nahe, aber sich zurückziehen bedeutete, sich wieder in jene Einsamkeit zu begeben, der er für ein paar Stunden hatte ausweichen wollen.
    Die Schwarzen Wasser von Dublin hatten ihm eine ausgezeichnete Lösung für sein Dilemma geboten, da die Bar nur von trinkenden und schreienden Iren besucht wurde, die eine für Adamsberg hermetische Sprache sprachen. Der Kommissar dachte manchmal, er gehöre zu den letzten Menschen des Planeten, die kein Wort Englisch verstanden. Diese altertümliche Bildungslücke ermöglichte es ihm, sich glücklich in die Schwarzen Wasser zu stürzen und den belebenden Strom zu genießen, ohne daß dieser ihn in irgendeiner Form durcheinanderbrachte. An diesen kostbaren Zufluchtsort kam Adamsberg, um lange Stunden vor sich hin zu kritzeln, während er, ohne einen Finger zu krümmen, darauf wartete, daß die Ideen an der Oberfläche seines Geistes auftauchten.
    So suchte Adamsberg Ideen: er wartete ganz einfach auf sie. Wenn eine von ihnen vor seinen Augen auftauchte wie ein toter Fisch, der an die Wasseroberfläche steigt, dann sammelte er sie ein und untersuchte sie, um zu sehen, ob es sich um etwas Brauchbares handelte, das für ihn von Interesse war. Adamsberg dachte nie nach, er begnügte sich damit, zu träumen und dann die Ernte zu sichten, so wie jene Fischer mit ihren Fangnetzen, die mit schwerer Hand auf dem Grund ihres Netzes inmitten von Steinen, Algen, Muschelschalen und Sand nach der Garnele suchen. Es gab nicht wenig Steine und Algen in Adamsbergs Gedanken, und es kam nicht selten vor, daß er sich darin nicht zurechtfand. Er mußte viel wegwerfen, viel aussortieren. Ihm war bewußt, daß sein Geist ihm eine wirre Zusammenballung verschiedenster Gedanken vorsetzte und daß das nicht unbedingt bei allen anderen Menschen genauso funktionierte. Er hatte bemerkt, daß zwischen seinem Denken und dem seines Stellvertreters Danglard derselbe • Unterschied bestand wie zwischen dem Grund eines Fangnetzes voller Plunder und der ordentlichen Auslage eines Fischhändlers. Was konnte er dafür? Schließlich und endlich zog er ja etwas daraus hervor, wenn man die Güte hatte zu warten. Auf diese Weise verwandte Adamsberg sein Hirn wie ein weites, nährendes Meer, in das man sein Vertrauen gesetzt hat, das man aber schon vor langer Zeit zu bändigen aufgegeben hat.
    Als er die Tür zu den Schwarzen Wassern von Dublin aufstieß, dachte er, es müsse etwa acht sein. Der Kommissar trug keine Uhr und fand sich mit seiner inneren Uhr ab, die auf zehn Minuten - manchmal weniger, niemals mehr - genau ging. In der Bar hing jener schwere, säuerliche Geruch von Guinness oder erbrochenem Guinness, den er lieben gelernt hatte und den der große Ventilator an der Decke nie hatte vertreiben können. Die lackierten Holztische klebten am Arm, klebrig von verschüttetem und rasch aufgewischtem Bier. Adamsberg legte sein Spiralheft auf einen der Tische, um seinen Platz zu markieren, und hängte seine Jacke ohne große Sorgfalt über die Rückenlehne eines Stuhls. Es war der beste Tisch, er stand unter einem riesigen Wirtshausschild, auf das unbeholfen drei von Flammen verzehrte silberne Burgen gemalt waren, die, wie man ihm erklärt hatte, das Wappen der gälischen Stadt Dublin darstellten.
    Er bestellte bei Enid, einer kräftigen blonden Kellnerin, die wie kein anderer dem Guinness standhielt, und bat um die Gunst, einen Blick auf die Acht-Uhr-Nachrichten werfen zu dürfen. Man wußte hier, daß er Bulle war, und gestattete ihm, wenn es notwendig war, den

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