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Bei Einbruch der Nacht

Bei Einbruch der Nacht

Titel: Bei Einbruch der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Achseln, öffnete die Tischschublade und schüttete den Inhalt auf das Wachstuch.
    »Stopft seine Schubladen voll mit altem Plunder«, sagte er. »Bullshit.«
    Camille ging zu der noch immer weit offenstehenden Tür und hielt die Karte ins Tageslicht.
    »Er hat eine ganze Strecke rot markiert«, sagte sie. »Von Saint-Victor bis nach...«
    Lawrence untersuchte rasch die herumliegenden Gegenstände, verfrachtete alles wieder in die Schublade und blies über den Staub, der auf dem Tisch zurückgeblieben war. Camille entfaltete die andere Hälfte der Karte.
    »... Calais«, schloß sie. »Dann geht's über den Ärmelkanal und endet in England.«
    »Eine Reise«, bemerkte Lawrence. »Keinerlei Bedeutung.«
    »Nur auf kleinen Straßen. Dafür braucht er Tage.«
    »Mag die kleinen Straßen.«
    »Und mag keine Leute. Was will er in England?«
    »Vergiß es«, erwiderte Lawrence. »Wahrscheinlich keinerlei Zusammenhang. Ist vielleicht schon alt.«
    Camille faltete die Kartenhälfte zusammen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gegend des Mercantour.
    »Schau mal«, sagte sie.
    Lawrence hob das Kinn.
    »Schau mal«, wiederholte sie. »Hier sind drei Kreuze eingezeichnet.«
    Lawrence beugte sich über die Karte.
    »Seh nichts.«
    »Hier«, sagte Camille und legte ihren Finger darauf. »Man kann sie kaum erkennen.«
    Lawrence nahm die Karte, ging hinaus und untersuchte mit gerunzelter Stirn die roten Markierungen im hellen Tageslicht.
    »Die drei Schäfereien«, sagte er. »Saint-Victor, Ventebrune, Pierrefort.«
    »Das ist nicht sicher. Der Maßstab ist zu klein.«
    »Doch«, erwiderte Lawrence und schüttelte sein Haar. »Schäfereien.«
    »Na und? Das beweist nur, daß Massart sich für die Angriffe interessiert, so wie du, wie alle anderen. Er will sehen, wie der Wolf sich bewegt. Ihr im Mercantour habt eure Karte auch markiert.«
    »In diesem Fall hätte er auch die anderen Überfälle markiert, die vom letzten Jahr und die vom Jahr davor.«
    »Und wenn er sich nur für den großen Wolf interessiert?«
    Lawrence faltete rasch die Karte zusammen, schob sie in seine Jackentasche und schloß die Tür.
    »Wir gehen«, sagte er.
    »Und die Karte? Räumst du sie nicht weg?«
    »Die nehmen wir mit. Mal näher ansehen.«
    »Und die Bullen? Wenn sie das erfahren?«
    »Was sollen die Bullen damit, die scheißen doch drauf.«
    »Du redest wie Suzanne.«
    »Ich hab's dir gesagt. Sie hat mir das in den Kopf gesetzt.«
    »Sie hat dir zuviel in den Kopf gesetzt. Leg die Karte zurück.«
    »Du willst doch Massart schützen, Camille. Es ist besser für ihn, wenn wir seine Karte verschwinden lassen.«
    Zu Hause öffnete Camille die Fensterläden, und Lawrence breitete die Frankreichkarte auf dem Holztisch aus.
    »Die Karte stinkt«, sagte er.
    »Sie stinkt nicht«, erwiderte Camille.
    »Sie stinkt nach Fett. Weiß nicht, was ihr Franzosen alle in der Nase habt, daß euch das nie stört.«
    »Wir haben zweitausend Jahre Geschichte voll mit Fettgerüchen hinter uns. Ihr Kanadier seid zu jung, um das zu verstehen.«
    »Daran muß es liegen«, entgegnete Lawrence. »Das muß der Grund sein, warum die alten Nationen so stinken. Da«, fügte er hinzu und hielt ihr eine Lupe hm, »untersuch das mal genauer. Ich fahr runter zu den Bullen.«
    Camille beugte sich über die Karte, konzentrierte sich auf die Straßen und fuhr langsam mit der Lupe das gesamte Mercantour-Massiv ab.
    Lawrence kam erst eine Stunde später zurück.
    »Sie haben dich ja lange dabehalten«, bemerkte Camille.
    »Mmmh. Haben sich gefragt, warum ich mir Sorgen um Massart mache. Woher ich weiß, daß er verschwunden ist. Niemand macht sich in diesem Ort Sorgen um ihn. Konnte ihnen nicht vom Werwolf erzählen.«
    »Was hast du gesagt?«
    »Daß Massart sich für Sonntag mit mir verabredet hätte, um mir einen großen Pfotenabdruck zu zeigen, den er am Mont Vence entdeckt hat.«
    »Nicht schlecht.«
    »Daß am Morgen niemand da war und am Abend genausowenig. Daß ich besorgt war und daß ich heute morgen noch mal vorbeigeschaut habe.«
    »Das klingt glaubwürdig.«
    »Waren am Ende auch beunruhigt und haben beim Schlachthof von Digne angerufen, niemand hat ihn gesehen. Haben gerade die Brigade von Puygiron losgeschickt mit dem Befehl, im Umkreis der Hütte auszuschwärmen. Wenn sie ihn nach zwei Stunden nicht gefunden haben, schicken sie die Brigade von Entrevaux zur Verstärkung. Ich würd gern essen, Camille, ich sterbe vor Hunger. Falt die Karte zusammen. Hast du noch

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