Bei Einbruch der Nacht
Der Wacher döste im Laster vor sich hin. Sie warteten auf den Bullen.
Eine knappe Stunde verstrich, ohne daß jemand sprach.
Mit großem Auspuffgeröhre tauchten plötzlich vier Motorradfahrer auf der Landstraße auf, bogen zum Laster ab und stellten wenige Meter von Soliman entfernt die Motoren aus. Überrascht sah der junge Mann auf. Sie nahmen wortlos ihre Helme ab und grinsten ihn an. Camille erstarrte.
»Na, so was, Neger!« sagte einer von ihnen. »Leistest du dir 'ne weiße Frau?«
»Keine Angst, sie mit deinen Pfoten dreckig zu machen?« fragte der zweite.
Soliman richtete sich auf und preßte mit beiden Fäusten die Wäsche zusammen, die er, vor Wut bebend, über der Wanne auswrang.
»Ganz langsam, Affe«, fuhr der erste fort, während er von seinem Motorrad abstieg. »Wir geben dir jetzt den letzten Schliff. Wir richten dich so schön her, daß dir die Lust an der Liebe bis zur Rente vergehen wird.«
»Und aus dir, Mädel«, sagte der zweite, ein magerer Rothaariger, der ebenfalls abstieg, »machen wir eine richtige Schönheit. Danach wollen dich nur noch Schwarze. Zur Strafe.«
Die vier Männer kamen auf die beiden zu. Über ihren nackten Oberkörpern trugen sie schwarze Lederwesten, in den Händen Motorradketten, mit Nägeln verzierte Ringe an den Fingern. Der Wortführer war blond und fett.
Soliman duckte sich, zum Angriff bereit, und stellte sich vor Camille, um sie zu schützen.
»Hast du einen Namen, Affe?« fragte der erste Typ und schwang seine Kette. »Ich weiß gern, wen ich schlage.«
»Melchior«, rief Soliman.
Der fette Typ lachte höhnisch und machte einen Schritt auf ihn zu, während die anderen sich verteilten, um jede Fluchtmöglichkeit zu versperren.
»Wer den Weisen aus dem Morgenland anrührt, ist ein toter Mann«, sagte plötzlich die Stimme des Wachers in die Stille hinein.
Der alte Schäfer stand aufrecht auf den hinteren Stufen des Viehtransporters, ein Jagdgewehr auf die Motorradfahrer gerichtet, mit haßerfülltem Blick und unerbittlicher Geste.
»Ein toter Mann«, wiederholte der Alte und gab mit seinem Gewehr einen Schuß auf den Benzintank eines der schwarzen Motorräder ab. »Das ist Wildschweinmunition, ich rate euch, macht keine falsche Bewegung.«
Unentschlossen waren die vier Motorradfahrer stehengeblieben. Der Wacher hob das Kinn.
»Vor Prinzen zieht man den Hut«, sagte er. »Werft die Helme weg. Und die Jacken. Und die Ketten. Und die Ringe. Und die Stiefel.«
Die Motorradfahrer gehorchten und ließen alles zu ihren Füßen fallen.
»Behaltet ja bloß die Hosen an«, fuhr der Wacher mit herrischer Stimme fort. »Hier ist eine Frau anwesend. Ich möchte nicht, daß sie sich ihr Leben lang ekelt.«
Die vier Männer blieben mit nacktem Oberkörper, in Strümpfen und stumm vor Erniedrigung vor dem Wacher stehen.
»Und jetzt auf die Knie«, befahl der Wacher. »Auf den Boden wie Gewürm. Hände auf den Boden und Stirn auf die Erde. Runter mit den Hintern. Wie die Hyänen. So. Das ist schon besser. So grüßt man Prinzen.«
Der Wacher sah ihnen zu, wie sie sich krümmten, und lachte höhnisch.
»Jetzt hört mir mal zu, Bürschchen«, fuhr er dann fort. »Ich habe das Alter des Schlafens hinter mir. Ich wache die ganze Nacht. Ich wache über das Wohl des jungen Melchior. Das ist meine Aufgabe. Wenn ihr wiederkommt, knall ich euch ab wie Hunde. Du da, Dicker, versuch nicht, dich zu rühren«, sagte er und richtete rasch das Gewehr auf ihn. »Sollen wir gleich damit anfangen?«
»Schießen Sie nicht, Wacher«, sagte plötzlich Adamsbergs Stimme.
Der Kommissar kam langsam von hinten, seine Magnum 357 in der Hand.
»Legen Sie Ihr Gewehr beiseite«, sagte er. »Wir werden keine einzige Wildschweinkugel an die Hintern dieses Gesindels verschwenden. Das würde uns zuviel Zeit kosten, und wir haben es eilig. Sehr eilig. Camille, komm zu mir, nimm mein Handy aus meiner Jacke, ruf die Bullen an. Soliman, mach die Tanks leer, die Reifen kaputt, zerschlag die Scheinwerfer. Das wird uns guttun.«
Camille bewegte sich unauffällig inmitten dieser sieben Männer im Kriegszustand. Auf Solimans Gesicht entdeckte sie ein mörderisches Zucken, in den Augen des Wachers einen unbarmherzigen Ausdruck.
Während der nächsten Minuten wurde kein einziges Wort gesprochen. Sie sahen zu, wie Soliman mit Wut und Methode die Maschinen zerstörte.
Die Gendarmen legten den vier Männern Handschellen an und verfrachteten sie in ihre Wagen. Adamsberg sorgte dafür, daß die
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