Bei Einbruch der Nacht
zurück, warf das Mofa auf die Böschung und das frische Brot sowie einen Stoß Zeitungen auf die Holzkiste.
»Alles steht in diesen Scheißzeitungen!« brüllte er. »Alles! Eine Katastrophe! Ein Riesenleck! Scheißbullen und Scheißzeitungen! Der Werwolf, die Schafe, die Opfer, alles steht drin! Sogar die Karte! Die Route! Nur der Name von Massart wird nicht genannt! Es ist aus! Erledigt! Massart wird sich davonmachen, sobald er das gelesen hat. Vielleicht macht er sich gerade in diesem Moment davon! Er entkommt uns, schöne Scheiße! Man müßte die Grenzen kontrollieren, die Straßen sperren! Diese Arschlöcher von Bullen! Meine Mutter hatte recht! Arschlöcher von Bullen!«
»Beruhige dich, Soliman«, sagte Adamsberg. »Trink deinen Kaffee.«
»Verstehen Sie nicht?« rief der junge Mann. »Anstatt ihn ins Netz gehen zu lassen, legt man ihm einen roten Teppich aus, damit er verschwinden kann!«
»Beruhige dich«, wiederholte Adamsberg. »Zeig her.«
Adamsberg schlug die Zeitungen auf, gab eine davon Camille, eine dem Wacher. Er zögerte und legte dann noch eine auf die Pfoten von Interlock.
»Hier, Hund, lies das.«
»Ist das jetzt der Moment, Witze zu machen?« fragte Soliman böse und kniff die Augen zusammen. »Ist das wirklich der Moment, Witze zu machen, wenn Massart abhaut und meine Mutter weiter im stinkenden toten Fluß steckt?«
»Was den toten Fluß angeht, sind wir keineswegs sicher«, sagte der Wacher.
»Oh, Scheiße, Alter!« schimpfte Soliman. »Verstehst du auch nichts?«
Der Wacher hob seinen Stock und berührte Soliman leicht an der Schulter.
»Halt die Klappe, Sol«, sagte er. »Respekt.«
Soliman schwieg, holte Luft und setzte sich niedergeschlagen und mit hängenden Armen hin. Der Wacher schenkte ihm einen Kaffee ein.
Camille studierte die Zeitungen und überflog die fettgedruckten Überschriften. Ein Werwolf auf dem Weg nach Paris - Rückkehr der Lykanthropie - Die Bestie aus dem Mercantour: Geführt von einem Irren - Der wahnwitzige Marsch des Wolfsmannes.
Einige erwähnten die rote Wegstrecke, die Massart gezeichnet hatte, und illustrierten sie mit einer Karte. Sterne kennzeichneten die Orte, an denen sich die Massaker ereignet hatten. »Nachdem die Bestie vor neun Tagen das Mercantour-Massiv verlassen und danach in mehreren Departements gewütet hat - Alpes Maritimes, Alpes-de-Haute-Provence, Isère und Ain, wo sie ihr letztes Opfer fand - soll sie sich nun genau nach Norden bewegen. Geführt von einem blutrünstigen Psychopathen, der unter Lykanthrophie leidet, soll das Tier dreißig Kilometer westlich der Autoroute du Soleil bis auf die Höhe von Chaumont hinaufziehen, wo es den Weg nach Westen in Richtung der Hauptstadt, über Barsur-Aube und Provins, einschlagen soll. Man vermutet, daß sich der Mann in kleinen Etappen von sechzig bis zweihundert Kilometern ausschließlich nachts fortbewegt, begleitet von einem Wolf und einer deutschen Dogge, wahrscheinlich am Steuer eines Lieferwagens mit abgedunkelten Scheiben. Bis heute soll er drei Menschen auf dem Gewissen haben, dazu über vierzig Schafe. Es wird allen Schafzüchtern geraten, ihr Vieh mit Wachhunden oder elektrischen Weidezäunen zu schützen. Ausdrücklich werden alle Personen, Männer und Frauen, die am Rand oder in unmittelbarer Nähe der genannten Landstraßen wohnen, davor gewarnt, nach Einbruch der Nacht ohne Begleitung das Haus zu verlassen. Jede Person, die über eine Information verfügt, die der Polizei bei ihren Ermittlungen nützlich sein kann, wird gebeten, sich mit der Gendarmerie oder dem nächsten Polizeiposten in Verbindung zu setzen.«
Niedergeschlagen legte Camille die Zeitung weg.
»Das Leck befindet sich bei den Bullen«, sagte sie. »Sie haben die Presse informiert. Soliman hat nicht unrecht. Wenn Massart auch nur drei Körnchen Verstand hat, wird er verschwinden, bevor alle anderen auch nur Zeit haben, Luft zu holen.«
»Die Bullen dachten, sie machen es richtig«, meinte der Wacher. »Sie wollten lieber die Bevölkerung warnen und so neue Opfer verhindern. Massart eine Falle stellen heißt, Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Man kann das verstehen.«
»Rein gar nicht«, erwiderte Soliman. »Das ist eine Riesensauerei. Ich würde gern wissen, welcher Schwachkopf das verzapft hat.«
»Ich«, sagte Adamsberg.
Im Lastwagen breitete sich drückende Stille aus. Adamsberg beugte sich zum Hund hinunter und nahm ihm die zerrissene Zeitung aus den Zähnen.
»Interlock hat das gefallen«, sagte
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