Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
saßen sie: die schöne Katja in Jeans und schwarzem T-Shirt , die Haare locker zum Zopf geflochten, und die blonde Doris, durchgestylt wie immer, mit perfekter Frisur und verbindlichem Lächeln. Anke kam sich sofort grau und klein vor.
Energisch schüttelte sie den Kopf und ging mit durchgestrecktem Rücken auf den Tisch zu.
»Haben wir nicht 18 Uhr gesagt?«
»Anke.« Doris war sofort aufgestanden und breitete die Arme aus. »Wie immer: Reinkommen und losblaffen.«
Anke umarmte sie trotzdem, roch ihr teures Parfüm und drehte sich zu Katja.
»Ich meine ja bloß. Severin, du hast 18 Uhr gesagt. Und jetzt komme ich als Letzte. War das Absicht? Damit ihr euch die besten Zimmer aussuchen könnt?«
»Na klar.« Katja war fast einen Kopf größer als Anke, was bei der Begrüßung komisch aussah. »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Doris ist doch immer zu früh da, und ich habe nicht gedacht, dass ich so gut durchkomme. |55| Aber du bist nicht zu spät, es ist zwanzig Minuten vor. Dafür bekommst du auch sofort einen Sekt.«
Sie hob einen Arm, um der Bedienung ein Zeichen zu geben.
Doris betrachtete die beiden und fragte sich, ob Anke schon beim letzten Treffen so graues Haar gehabt hatte. Sie sah älter aus, als sie tatsächlich war, gerade jetzt, im Vergleich zu Katja.
»Ist was?«
Anke setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber und blickte sie fragend an.
»Nein, nein. Ich freue mich, dass ihr da seid. Wie geht es dir? Du siehst gut aus.«
Man sollte für jede Lüge an diesem Wochenende fünf Euro in ein Sparschwein stecken, dachte Doris, davon könnten sie vermutlich am letzten Abend essen gehen. Sie konzentrierte sich wieder auf Anke, die sich in dem Bistro umsah und sagte: »Vornehm geht die Welt zugrunde, was? Das ist wirklich sehr schön hier.«
»Sag ich doch.« Doris wartete, bis die Bedienung das Sektglas vor Anke abgestellt hatte, dann hob sie ihres. »Wenn man schon fünfzig werden muss, dann kann man das auch schön hinter sich bringen. Zum Wohl, ich freue mich, dass ihr Zeit für mich habt.« Ihre Stimme klang rau. Himmel, sie wurde schon wieder sentimental.
»Hör doch mal auf mit diesem blöden Alter.« Katja sah sie strafend an. »Du steigerst dich da vielleicht rein, wir sind doch noch nicht scheintot. Ich weiß gar nicht, was du für ein Problem hast. Im Mittelalter sind die Menschen gerade mal dreißig geworden, wäre dir das lieber?«
»Natürlich nicht.« Doris’ Glas war schon wieder leer.
|56| »Na ja.« Anke warf einen kurzen Blick auf das leere Glas, sagte aber nur: »Damals sind die Frauen am Kindbettfieber gestorben und die Männer wurden vom Pferd geschossen. Doris ist ja weder das eine noch das andere Risiko eingegangen. Kaiserschnitte und Pferdehaarallergie, richtig?«
»Richtig.« Doris musste lachen. »Ihr habt ja recht. Wollen wir noch eine Runde bestellen?«
»Für mich nicht.« Katja griff zur Wasserflasche. »Ich kann sonst gleich ins Bett gehen. Und sonst? Was macht euer Liebesleben? Bei den letzten Treffen war Torsten ja immer dabei, da konnte man leider nicht so richtig locker reden.«
»Och.« Anke strich sich die Haare hinters Ohr. Die Ohrringe hatte sie schon in der Schule getragen, einfache goldene Perlen. »Ich habe keins. Ich hätte auch gar keine Zeit dafür. Wenn ich Feierabend habe, bin ich froh, dass niemand in meiner Wohnung hockt, um den ich mich auch noch kümmern müsste. Allein die Vorstellung … Nein, danke, ich bin mit dem Verlag liiert, das reicht.«
Doris und Katja wechselten einen Blick, dann fragte Katja: »Und du, Doris?«
»Ich?« Sie legte überrascht die Hand auf die Brust und sah die anderen verlegen an. »Ihr kennt doch Torsten. Ihr seid mit ihm zur Schule gegangen. Was soll ich denn da erzählen?«
»Habt ihr noch Sex?«
»Katja! Ähm, ja, sicher.«
Wieder fünf Euro und dazu noch Ankes komischer Gesichtsausdruck. Manchmal könnte sie Katja für ihre undiplomatische Art an die Wand knallen. Sie suchte eine elegante Überleitung, aber Anke war schneller.
»Wie auch immer, wir werden das Thema bestimmt noch vertiefen. Katja war ja noch nicht dran und da kommen doch |57| sicher richtig abenteuerliche Geschichten. Jedenfalls muss ich vor dem Essen unbedingt noch mal unter die Dusche. Wann und wo treffen wir uns?«
»In einer Stunde. Im Hotelrestaurant. Ich mache mir vorher auch noch Stichworte, damit ich keinen Liebhaber vergesse.«
»Gib dir Mühe, bis gleich.«
Anke verschwand nach einem knappen Nicken, Doris
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