Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
zurück. Katja wartete einen kleinen Moment, dann fragte sie: »Wie war das mit Kai? Jetzt, wo wir mal offen reden.«
»Moment mal!«, sagte Anke fassungslos. »Du lässt dich operieren? Das ist doch nicht dein Ernst. Was kostet das denn?«
Katja lachte leise. »Mein Vater hat meine Mutter verlassen, als ich drei war. Zeit seines Lebens hatte er ein schlechtes Gewissen, das nutze ich jetzt mal aus. Und er ist beruhigt, weil er mit meinem Gesicht mehr anfangen kann als mit mir als Tochter. Wir haben beide was davon. Und ich habe Chefarztbehandlung. Was war mit Kai?«
»Er hat sich umgebracht.« Ankes Stimme klang unbewegt. »Er ist mit seinem Porsche ungebremst an einen Brückenpfeiler gerast. Das war seine Art, mit seinem verpfuschten Leben umzugehen. Ansonsten hätte er eine Woche später wegen Betrugs vor Gericht gestanden. Er wäre vermutlich verurteilt worden.«
»Warum?«
»Er hatte sich selbstständig gemacht und sich dann auf dubiose Geschäfte eingelassen. Das war noch in der Zeit |81| unserer Beziehung. Ich habe damals sogar für einen Kredit eine Bürgschaft übernommen. Ich war so dämlich.«
»Und dann?«
Anke ließ den Wein in ihrem Glas kreisen. »Irgendwann habe ich so ein komisches Gefühl gehabt. Ich habe ihn gefragt, wie es in der Firma läuft. Er hat gelogen, es gab Streit, den gab es eigentlich dauernd, und schließlich habe ich ihn rausgeschmissen. Ein halbes Jahr später war der Unfall. Und jetzt sitze ich auf den Schulden. Zum Glück geht es nur um den einen Kredit, ich bin wenigstens nicht für den Betrug haftbar zu machen. Es reicht aber auch so schon.«
»Wie ist es dir denn nach dem Unfall gegangen?« Katjas Stimme war weich. Anke musste sich beherrschen, um nicht zu zittern. Plötzlich sah sie sich wieder an ihrer Haustür stehen, hörte die Stimme der Polizistin in der Gegensprechanlage, die sie bat, die Tür zu öffnen, fühlte wieder, wie mit jedem weiteren Schritt im Treppenhaus etwas Schreckliches auf sie zukam, etwas, das sie nicht würde fassen können. Damals war sie einfach in ein Loch gefallen, noch bevor alles andere herausgekommen war.
»Einfach schlecht.« Anke räusperte sich zweimal, bevor ihre Stimme stabil wurde. »Ich habe mir die Schuld gegeben. Es gab keine Bremsspuren, es war auf gerader Strecke, das Wetter war gut, sie redeten zwar noch von einem Unfall, ich aber hatte da schon meine Zweifel. Später kam dann alles raus. Seine Familie hat mir vorgeworfen, er wäre nach der Trennung so verzweifelt gewesen, und ich habe das sogar kurze Zeit geglaubt. Aber dann flogen die Betrügereien auf, es ging um Unterschlagungen, Steuerbetrug, Anlagebetrug, die ganze Palette. Ich war wirklich sein kleinstes Problem. Wobei wir auch nie eine richtig gute Beziehung hatten.«
|82| Sie biss sich auf die Lippen.
Katja schenkte Wein nach. »Wie hoch sind deine Schulden?«
»Ursprünglich 50 000 Euro, plus Zinsen natürlich. Das kann ich nie im Leben von meinem Gehalt abstottern. Auch wenn ich mir alle Mühe gebe.«
Katja enthielt sich eines Kommentars, jede tröstende Antwort wäre nur albern gewesen. Stattdessen sagte sie: »Konnte deine Familie dir nicht helfen? Zumindest finanziell? Deine Mutter hat doch so viel Geld.«
Während ihrer Schulzeit waren die Einladungen bei Kerners immer beeindruckend gewesen. Ankes Mutter besaß eine weiße Villa in Blankenese, sie war die Erbin einer großen Hamburger Druckerei, hatte einen wesentlich älteren Mann geheiratet, der aber gestorben war, als ihre Töchter erst zwei und vier waren. Anschließend hatte sie Karriere in der elterlichen Firma gemacht, ihre Töchter von Tagesmüttern und Au-pair-Mädchen großziehen lassen und sich ein schönes Leben gegönnt.
Anke stieß ein freudloses Lachen aus. »Meine Mutter redet mit mir seit dreißig Jahren nur noch das Nötigste. Wusstest du das nicht? Sie interessiert das alles nicht.«
»Nein.« Katja war überrascht. Ankes achtzehnten Geburtstag hatten sie damals in Blankenese gefeiert, ihre Mutter war zwar egozentrisch, aber dafür großzügig. »Sie war ja nie richtig mütterlich, aber doch eigentlich ganz nett.«
»Nett.« Anke schüttelte den Kopf. »Nett war sie nie. Wir mussten funktionieren und ihre Erwartungen erfüllen. Ich sollte Betriebswirtschaft studieren und in die Firma einsteigen, aber dann lief ich ja leider aus dem Ruder.«
|83| »Nur weil du nicht BWL studieren wolltest?«
»Nein.« Anke stellte ihr Glas hart auf den Tisch. »Weil ich nach dem Abi
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