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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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sie an. »Torsten sitzt das aus. Er telefoniert ab und zu mit ihm, meistens vom Büro aus. Aber mit mir   …« Sie kämpfte offensichtlich schon wieder mit den Tränen. »Ich habe mich, mehr als man darf, in sein Leben eingemischt. Ich habe es natürlich nur gut gemeint, aber er sieht das heute ganz anders. Wahrscheinlich hat er auch recht. Aber ich kann noch nicht gut darüber sprechen, das hat nichts mit euch zu tun, vielleicht später mal. Jedenfalls gibt es bei uns mitnichten die liebevolle Mutter-und-Söhne-Idylle.«
    »Das klingt ja alles gar nicht richtig lustig.« Katja schob ihren Arm unter den von Doris und sagte mit lauter Stimme: »Dann fassen wir mal zusammen. Das hoffnungsvolle und preisgekrönte Talent Doris Goldstein-Wagner, knapp fünfzig, verbringt die beste Zeit ihres Lebens damit, gelangweilt in ihrem großen Haus in Lüneburg zu sitzen. Dieser Zustand |188| wird lediglich durch alberne Veranstaltungen, Friseur- und Kosmetiktermine, überflüssige Shoppingtouren und Mordlust weckende Besuche der Frau Mutter unterbrochen. Der Gatte arbeitet sich einen Wolf, ist abends zwar müde, aber ihr immer noch zugewandt, was auch ein Problem darstellt, weil D.   G.-W. nicht nur Hitzewellen, sondern auch Unlust verspürt. Dazu kommt, dass die Söhne nicht so sind, wie sie sein sollten, und der tägliche Alkoholkonsum auch nicht mehr richtig hilft. Habe ich etwas vergessen?«
    Beim Stichwort »Alkoholkonsum« hatte Doris protestierend die Hand gehoben. Katja drückte sie wieder runter.
    »Doris, halt uns nicht für blöd. Und mach dir nichts vor. Anke?«
    Anke atmete tief ein, bevor sie vorsichtig antwortete: »Ohne den Konflikt mit deinem Sohn genau zu kennen, über den du ja nicht reden willst, hast du doch nur Luxusprobleme. Ich glaube, du bist einfach total unterfordert. Du hast viel zu viel Zeit, in dich hineinzuhorchen und auf deine Befindlichkeiten zu achten. Und vor lauter Langeweile kümmerst du dich um jeden Scheiß, gibst allem eine Bedeutung und nimmst jede Kleinigkeit wichtig. Mach mal was Sinnvolles. Fang wieder an zu arbeiten, schreib dich an der Volkshochschule ein und nimm Malkurse oder lern Dänisch, was weiß ich. Aber krieg deinen Hintern endlich mal hoch. Du hattest so viel Talent. Das kann’s doch jetzt noch nicht gewesen sein.«
    Doris hatte gar nicht versucht, Katja oder Anke zu unterbrechen, obwohl sie diese Zusammenfassungen zu simpel fand. Aber sie hatte ihnen ja auch nicht alles erzählt. Trotzdem stimmte vieles: Sie langweilte sich alt. Und überflüssig. Sie wollte wieder etwas tun, nicht irgendetwas, sondern eine Sache, bei der sie sich anstrengen müsste, bei der sie spürte, |189| dass sie immer noch Ehrgeiz, Kreativität und Leidenschaft besitzt. Sie hatte nur noch keine Ahnung, was das sein sollte.
    Abrupt schlug Katja ihr auf die Schulter. »Jetzt guck nicht so zerknirscht. Du siehst ja wenigstens mittlerweile ein, dass du etwas ändern musst. Wir haben noch den ganzen Abend Zeit, zur Not machen wir durch, und dann überlegen wir zusammen, wie wir dein Hirn, deine Hormone und Ankes Kontostand auf einen anderen Weg bringen. Das wäre doch gelacht. Mädels, man hat uns damals für unsere kreativen Ideen ausgezeichnet, uns wird doch wohl etwas einfallen. Und jetzt brauche ich ein Klo und einen Kaffee. Lasst uns ins Hotel zurückgehen.«
     
    Der Notarztwagen parkte mit offener Heckklappe vor dem Haupteingang. Einige Gäste standen betont unauffällig daneben und warteten neugierig auf die Person, der dieser Einsatz galt.
    »Was ist denn da los?« Anke kniff die Augen zusammen, konnte aber aus der Entfernung nichts Genaues erkennen. Sie verzögerte ihre Schritte. »Ich kann das nicht sehen, mir wird dabei immer schlecht.«
    Ungeduldig zog Katja sie am Arm. »Komm weiter, das wird schon kein Kettensägenmassaker gewesen sein. Vielleicht hat eine der älteren Damen zu lange geschwitzt oder zu viel Eierlikör getrunken. Außerdem muss ich mal und warte hier nicht, bis der Krankenwagen verschwunden ist.«
    Fast widerwillig lief Anke hinter ihr her. Als zwischen ihnen und dem Eingang nur noch wenige Meter lagen, kamen die Sanitäter mit der Trage. Katja stoppte so abrupt, dass Anke gegen sie lief. »Sag mal«, begann sie, entdeckte aber im selben Moment Angelika Wolter, die dem Notarzt folgte. |190| Auch Doris hatte es gesehen. Nach einem kurzen Blick auf Katja, die wie angenagelt stehen geblieben war, sagte sie: »Wartet mal hier«, und ging mit schnellen Schritten auf den Wagen

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