Bei Landung Liebe
Wohnung gezogen waren, um alles. Mir wurde schwer ums Herz und meine Kehle verengte sich unangenehm. Ich schluckte schwer. Noch immer kostete es mich unglaublich viel Kraft hier herzukommen. Es war als würden jedes Mal die Erinnerungen an dieses furchtbare Ereignis noch intensiver spürbar. Vorsichtig legte ich eine Hand auf die schmiedeeiserne Klinke und drückte sie nach unten. Die eisige Kälte des Metalls griff sofort auf meine Haut über und mir war, als hätte ich mich verbrannt.
Langsam betrat ich den Friedhof und sah mich um. Ich ging nach links und lief an einer blätterlosen Ulme vorbei, die ihre dürren Zweige in den grauen Himmel reckte. An dem kleinen Brunnen, der ungefähr die Mitte des Friedhofs markierte, war ein Schild angebracht, der den Besuchern erklärte, dass das Wasser den Winter über abgestellt sei. Ein paar massive Bretter waren über den Schacht gelegt, als ob damit die Aussage des Schildes noch verdeutlicht werden sollte.
Zielstrebig lief ich durch die Reihen, bis ich schließlich vor einem schlichten Stein aus poliertem grauen Granit stehen blieb. Ein herbstliches Gesteck stand rechts neben der kunstvoll aus Glas und Messing gefertigten Halterung für das Grablicht, in dem eine abgebrannte Kerze stand. Schade, dass ich nicht daran gedacht hatte, eine mitzunehmen. Ich fühlte mich schlecht deswegen. Da kam ich schon so selten hier her und selbst dann vergaß ich, eine simple Geste des Erinnerns zu zeigen. Andererseits würde diese eine Kerze keine Aussage darüber treffen können, wie oft ich an meine Eltern dachte. Nach wie vor fast täglich. Manchmal bewusst. Manchmal auch nicht. Ich kniete mich vor dem Grab nieder und zupfte einige verwelkte Blätter, die sich zwischen den kleinen, zu einer Raute angeordneten, Erikapflänzchen verfangen hatten, heraus. Als ich mich wieder aufrichtete, blieb mein Blick an der gravierten Inschrift auf dem Grabstein hängen. Die Namen meiner Eltern stachen, im Vergleich zu der bereits etwas verwitterten Gravur meines Großvaters, leuchtend hervor. Ich bemerkte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, und wandte mich ab. Noch immer brachte ich es nicht übers Herz, ihre Namen anzusehen. Es wirkte wie ein Mahnmal, das mich daran erinnern sollte, dass alles auf Erden vergänglich war.
Aus der Lieben Arm geschieden, aus dem Herzen aber nie . Ich weiß nicht, warum mir plötzlich diese Zeile einfiel, aber ich wusste zu gut, woher ich sie kannte. Sie hatte in der Todesanzeige, die in der Zeitung abgedruckt worden war, über dem Namen meiner Eltern gestanden. Eine einzelne Träne rollte mir über meine Wangen. Ich wischte sie eilig mit meiner freien Hand weg und betrachtete den kleinen nassen Fleck, den sie auf meiner Haut hinterlassen hatte. In der anderen Hand hielt ich noch immer die welken Blätter. Ich musste an Ryan denken. Warum war er nicht ehrlich zu mir gewesen? Ich fühlte mich unglaublich einsam. Meine Umgebung verstärkte das Gefühl nur noch. Mit einer Hand fegte ich einige Kieselsteine, die auf der Einfassung des Grabes lagen, zur Seite. Der Stein war glatt und kühl.
„Helft mir. Bitte macht, dass er mich liebt.“
Meine Stimme war ein schwaches Flüstern. Ich konnte nicht länger hier bleiben. Der Wind zerzauste meine Haare und peitschte mir einige Strähnen ins Gesicht. Ich stand auf und verließ eilenden Schrittes den Friedhof.
Als ich das Haus meiner Oma erreicht hatte, vernahm ich bereits den Duft, der aus der Küche kam. Meine Oma war mit kochen beschäftigt. Wie lange war ich denn weg gewesen? Ich dachte eigentlich, dass ich nicht länger als eine halbe Stunde unterwegs war, aber offenbar täuschte ich mich.
Schweigend betrat ich die Küche und nahm am Tisch Platz. Meine Oma stand am Herd und summte leise eine mir unbekannte Melodie. Ich half ihr den Tisch zu decken, bevor wir gemeinsam zu Abend aßen. Da man im Wohnzimmer momentan nicht fernsehen konnte, blieben wir in der Küche, unterhielten uns und lösten gemeinsam Kreuzworträtsel. Die Anstrengung des Tages machte sich bald bemerkbar. Ich verabschiedete mich und ging ins Bett.
Zwar fühlte ich mich hundemüde, aber die Sache mit Ryan beschäftigte mich zu sehr. Während des Tages, als ich etwas zu tun hatte, dachte ich kaum an ihn, aber abends allein im Bett war nur er in meinen Gedanken. Plötzlich kamen Zweifel an meiner Überzeugung auf. War wirklich alles so, wie ich es einschätzte? Oder hatte ich nur wieder einmal viel zu voreilig irgendwelche Urteile gefällt? Ich
Weitere Kostenlose Bücher