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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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angefangene Arbeit erlaubte. »Ich dachte, Sie sehen heute nicht so aus, als wollten Sie Ärger machen.«
    Gennie drehte ihr Gesicht so weit in seine Richtung, dass sie ihn anschauen konnte. Ihr Lächeln war nur angedeutet, aber äußerst spöttisch. »Dann muss ich annehmen, dass Sie ein schlechter Menschenkenner sind.«
    Grant wusste, dass sie ihn reizen wollte. Doch trotzdem verfehlte ihr Blick keineswegs seine Wirkung. Das Verlangen nach ihr erwachte, sein Körper ließ sich von seinem Verstand nicht beirren. »Oder Sie sind eine Närrin«, murmelte er.
    »Ich habe Ihnen gesagt, Grant, dass ich wiederkomme.« Gennie ließ ihren Blick zu seinen Lippen wandern. »Im Allgemeinen halte ich mein Wort. Möchten Sie sehen, wie weit ich bin?«
    Grant schwor sich, dass sie und ihr Bild ihm gestohlen bleiben könnten. »Nein.«
    Gennie verzog bedauernd den Mund. »Wie schade! Ich dachte, Sie sind ein echter Kunstkenner.« Betont langsam legte sie den Pinsel beiseite und strich durch ihr dichtes Haar. »Was sind Sie eigentlich, Grant Campbell?« Die grünen Augen blitzten verführerisch.
    »Was ich sein möchte.«
    »Schön für Sie.« Gennie erhob sich. Nicht sonderlich schnell schlüpfte sie aus ihrem kurzärmeligen Kittel und ließ ihn auf den Felsen gleiten. Sie beobachtete Grant dabei. Sein musternder Blick, der bis zu ihren Füßen wanderte, blieb ihr nicht verborgen. Dann strich sie behutsam mit dem Finger über Grants Hemd. »Wollen Sie wissen, was ich sehe?« Er schwieg, schaute sie aber unverwandt an. Wenn ich ihm meine Hand auf die Brust lege, ob sein Herz dann wohl schneller schlägt? »Einen Einsamen sehe ich«, fuhr sie fort, »mit dem Gesicht eines Freibeuters und den Händen eines Poeten.« Jetzt lachte Gennie leise. »Und den Manieren eines Flegels. Mir scheint, dass Sie nur bei den Manieren eine Wahl gehabt haben.«
    Es war schwer, dem Glitzern und der Herausforderung ihrer Augen zu widerstehen oder dem Reiz der weichen, vollen Lippen, die ein Lächeln beabsichtigter weiblicher Koketterie trugen.
    »Wenn es Ihnen so gefällt!« Grant verkrampfte seine Hände in den Taschen, denn nur zu gern hätte er Gennie berührt.
    »Das möchte ich nicht sagen.« Gennie ging ein paar Schritte auf die Klippen zu, wo die Wasserspritzer der Brandung sie fast erreichten. »Doch andererseits haben Ihre Umgangsformen auch einen gewissen urwüchsigen Charme.« Sie warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Wahrscheinlich will man es als Frau nicht immer mit einem Gentleman zu tun haben. Und Sie sind sicher kein Mann, der nach einer Lady Ausschau hält.«
    Das blaugrüne Wasser im Hintergrund reflektierte ihre Augenfarbe. »Sind Sie eine Lady, Genevieve?«
    Gennie lachte. Der Ausdruck von Wut und Enttäuschung in seinem Blick gefiel ihr. »Das kommt darauf an«, sagte sie im gleichen Tonfall wie Grant, »ob es mir passt oder nicht.«
    Er trat auf sie zu, unterdrückte aber den heißen Wunsch, sie zu schütteln, bis ihre Zähne aufeinanderschlugen. Sie waren sich so nahe, dass nur ein Lufthauch sie trennte. »Was zum Teufel haben Sie vor?«
    Unschuldig schaute sie zu ihm auf. »Nur eine Unterhaltung, was sonst? Aber Sie sind sicherlich aus der Übung.«
    Nach einem kurzen Blick aus zusammengekniffenen Augen drehte Grant sich um. »Ich gehe spazieren.«
    »Fein!« Gennie hakte sich bei ihm unter. »Ich komme mit.«
    »Dazu habe ich Sie nicht aufgefordert.« Er blieb stehen.
    »Oh.« Gennie zwinkerte gut gelaunt. »Sie versuchen schon wieder Ihren herben Charme an mir. Dem kann ich so schwer widerstehen.«
    Grant hätte beinahe gelächelt, doch er beherrschte sich. Das geschieht mir recht, dachte er. »Also gut, gehen wir.« In seiner Miene lag etwas Undefinierbares, dem Gennie misstraute. Unschlüssig zauderte sie. »Nun, kommen Sie schon!«
    Grant lief Gennie voran und nahm dabei keine Rücksicht auf sie, die mit ihm nicht Schritt halten konnte. Doch sie war fest entschlossen, den Kampf nicht aufzugeben, und bemühte sich, an seiner Seite zu bleiben. Nachdem sie den Leuchtturm hinter sich gelassen hatten, sprang Grant die Klippen mit einer Leichtigkeit hinab, die aus jahrelanger Kenntnis der Bodenverhältnisse stammte. Gennie zögerte, holte dann tief Luft und folgte ihm. So einfach würde er sie nicht loswerden.
    Ganz wohl war ihr jedoch nicht dabei. Doch je näher sie dem sandigen Strand kamen, umso mehr gefiel ihr die Kletterpartie. Grant war inzwischen am Fuß der steilen Felsen angelangt, und als er sich umdrehte,

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