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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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bekommt man, was man will«, jetzt lachte auch sie, »oder man kann auch den Kopf verlieren.«
    »Vielleicht war es klüger, dich an Land zu lassen«, murmelte er und zog sie an ihrem Haar näher heran.
    Gennie legte ihre Hand auf Grants Brust, um die Balance zu halten, aber ihre Finger wanderten höher. Sein Mund war sehr verführerisch. Es wäre schlauer, ihm zu widerstehen, dachte Gennie, aber sie stellte sich auf die Zehen und kam Grant entgegen.
    Fast ohne jeden Druck berührte Grant ihre Lippen, er war sich nicht klar darüber, wie viel er diesmal riskieren sollte. Nur ein ermunternder Seufzer, und sie läge fest in seinem Arm. Aber beide bewahrten den kleinen Abstand voneinander – als Barriere oder nur zur Sicherheit. Noch ließ sich die auflaufende Flut bekämpfen, die sie näher und näher zusammentrieb bis zum Punkt ohne Wiederkehr.
    Gleichzeitig lösten sich die beiden voneinander und traten einen Schritt zurück.
    »Ich entzünde wohl besser die Holzkohle«, sagte Gennie nach einer winzigen Pause.
    »Bisher habe ich nicht gefragt«, hörte sie Grant, der dicht hinter ihr auf dem Steg ging, »aber kannst du wirklich kochen?«
    »Mein lieber Mr. Campbell!« Gennies Südstaatendialekt war nicht zu überbieten. »Sie scheinen allerlei Vorurteile gegenüber den Frauen aus meiner Heimat zu haben. Ich koche auf einem heißen Stein, wenn es sein muss.«
    »Und wasche Hemden im reißenden Ruß«, ergänzte er.
    »Jedenfalls ebenso gut wie du. In mechanischer Hinsicht wirst du mir überlegen sein, aber das mache ich in anderer Beziehung wieder wett.«
    »Vertrittst du die Frauenbewegung?«
    Gennie runzelte die Stirn. »Solltest du im Begriff sein, etwas Bissiges und Dummes von dir zu geben?«
    »Nein.« Grant hob die Flasche mit Spiritus und reichte sie Gennie. »Als Geschlecht habt ihr seit mehreren Hundert Jahren ein legitimes Anrecht, das auf zweierlei Art gehandhabt worden ist, nämlich insgesamt und individuell. Unglücklicherweise sind den Frauen im Allgemeinen noch eine ganze Reihe von Türen versperrt. Dagegen hat manche einzelne Frau fast ohne jeden Laut hier und da ein Schloss gesprengt. Hast du schon einmal von Winnie Winkle gehört?«
    Fasziniert sah Gennie Grant an. »Zum Beispiel in Wee Willie?«
    Grant schüttelte lächelnd den Kopf und lehnte sich an die Seite des gemauerten Ziegelgrills. »Nein, ›Winnie Winkle the Breadwinner‹. Das ist ein Cartoon aus den Zwanzigerjahren. Er befasste sich schon damals mit der Befreiung der Frauen, lange bevor jedermann von Gleichberechtigung sprach. Hast du ein Streichholz?«
    »Hm.« Gennie suchte in ihrer Jeanstasche. »War das nicht ein wenig vor deiner Zeit?«
    »Ich habe auf der Universität allerlei Studien über kritische Anmerkungen zur Gesellschaft gemacht.«
    »Tatsächlich?« Wieder hatte Gennie den Eindruck, der Wahrheit näherzukommen. Sie entzündete die angefeuchtete Holzkohle und trat zurück, als die Flammen hochflackerten. »Auf welcher Uni warst du?«
    Grant atmete tief den scharfen Geruch ein, der ihn plötzlich an Sommerfreuden seiner Kindheit erinnerte. »Georgetown.«
    »Dort gibt es eine ausgezeichnete Fakultät für Kunstwissenschaften.«
    »Ja, das ist richtig.«
    »Dann hast du also Kunst studiert?«, bohrte Gennie weiter.
    Grant blickte dem Rauch nach und beobachtete, wie die Hitze die Luft zum Flimmern brachte. »Warum fragst du?«
    »Weil es offensichtlich ist, dass du Talent besitzt, welches gefördert wurde. Denk an die boshafte kleine Karikatur, die du von mir gezeichnet hast. Wie wendest du es an?«
    »Was?«
    Gennie runzelte ärgerlich die Stirn. »Dein geschultes Talent! Wenn du malen würdest, dann hätte ich bestimmt von dir gehört.«
    »Ich male nicht«, sagte er kurz angebunden.
    »Was tust du dann?«
    »Was mir Spaß macht. Wolltest du mir nicht einen Salat servieren?«
    »Hör mal, Grant …«
    »Schon gut! Sei nicht empfindlich. Ich kümmere mich um den Salat.«
    Als er die Richtung zur Küchentür einschlug, entschlüpfte ihr ein nicht unbedingt salonfähiges Wort, und sie griff nach seinem Arm. »Ich verstehe dich nicht.«
    Seine Miene war undurchdringlich. »Ich kann mich nicht entsinnen, das verlangt zu haben.«
    In Gennies enttäuschtem Gesicht erkannte er, dass er sie verletzt hatte. Warum wollte er sich auf einmal entschuldigen? Hatte sie sich nicht in sein Privatleben drängen wollen? »Gennie, lass mich etwas erklären.« Mit ungewöhnlicher Zartheit glitten seine Finger über ihren Nacken. »Ich wäre

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