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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Leinwand gewesen war, spiegelte jetzt die Gewalt und Turbulenz des Atlantischen Ozeans mit allen unerforschten Geheimnissen der Natur wider. Der einsame Leuchtturm dagegen war Menschenwerk. Er wachte über die See als Sinnbild von ewiger, zeitloser Harmonie.
    Das Bild bewegte, störte und beunruhigte ihn gleichermaßen. Genauso wie seine Schöpferin.
    Gennie fühlte eine fast unerträgliche Spannung, als Grant schweigend und stirnrunzelnd ihr Werk betrachtete. Sie hatte alle Kraft hineingegeben, möglicherweise war es das Beste, was sie jemals gemalt hatte. Aber das änderte nichts daran, dass es seine Welt darstellte.
    Sein Leben und seine Geheimnisse waren für sie dominierend gewesen, als sie es malte. Es gehörte ihm.
    Grant trat einen Schritt zurück und blickte auf die See. Hinter den drohenden, dunklen Wolken wetterleuchtete es. Er war sonst um Worte nie verlegen, doch jetzt wusste er nicht, was er sagen sollte. Er dachte nur an Gennie und spürte das Verlangen nach ihr schmerzhaft wie einen Krampf im Leib. »Es ist hübsch«, sagte er nur.
    Ein Schlag ins Gesicht hätte weniger wehgetan. Gennies tiefer Atemzug wurde vom Wind übertönt. Wieder diese Zurückweisung! Konnte sie niemals aufhören, Grants Ablehnung herauszufordern?
    Innerhalb von Sekunden verwandelte sich der Schmerz in Ärger. Sie hatte weder seine Zustimmung noch sein Lob oder sein Verständnis nötig. Ihr eigenes Urteilsvermögen genügte vollkommen. Wortlos schob sie die Leinwand in das schützende Futteral. Dann klappte sie die Staffelei zusammen. Als alles beieinanderlag, wandte sie sich langsam Grant zu.
    »Bevor ich gehe, möchte ich dir noch etwas sagen.« Ihre Stimme klang kühl und beherrscht. »Man findet es nicht oft, dass der erste Eindruck sich als absolut richtig erweist. In der Gewitternacht, als du mir endlich die Tür geöffnet hast, hielt ich dich für ungezogen und arrogant, ohne irgendwelche ausgleichenden Qualitäten.« Der Wind blies ihr das Haar ins Gesicht, und mit heftiger Kopfbewegung warf sie es zurück, sodass sie ihren eiskalten Blick nicht von ihm abzuwenden brauchte. »Es befriedigt mich, dass diese Meinung sich bestätigt hat und dass ich allen Grund für meine tiefe Abneigung dir gegenüber habe.« Mit stolz erhobenem Kopf machte sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen.
    Gennie riss den Kofferraum auf, legte die Malutensilien hinein und genoss es, hierdurch ihre Wut abzureagieren. Als Grants Hand besitzergreifend ihren Arm ergriff, warf sie ungestüm die Klappe zu, fuhr herum und war zu jedem Kampf bereit, ganz gleich, wo und wie er stattfinden sollte. Aufgewühlt, wie sie im Augenblick war, erkannte sie nicht das Aufblitzen in seinen Augen und hörte nicht sein unregelmäßiges Atmen.
    »Bildest du dir wirklich ein, dass ich dich einfach gehen lasse?«, fuhr er sie an. »Meinst du, du kannst in mein Leben eindringen, dir das nehmen, wonach dir gerade der Sinn steht, und dann einfach verschwinden, ohne etwas zurückzulassen?«
    Mit berechneter Geringschätzigkeit blickte sie auf die Hand, die ihren Arm umklammerte. »Nimm deine Hand weg!«, forderte sie ihn auf und betonte aufreizend jedes einzelne Wort.
    Blitze zuckten über den Himmel, während sie sich anstarrten. Das betäubende Krachen des Donners übertönte Grants Verwünschung. Ein Moment tödlicher Ruhe folgte, dann schlug der Wind wie ein Peitschenhieb zu und heulte noch stärker als zuvor.
    »Du hättest meinem Rat folgen«, stieß Grant zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »und bei deinen Grafen und Herzögen bleiben sollen.« Mit einer einzigen Bewegung zog er Gennie an sich heran.
    »Was zum Teufel fällt dir ein?«
    »Was ich schon in der ersten Minute hätte tun sollen, als du in mein Leben eingedrungen bist.«
    Mord? Gennie warf einen Blick auf die Klippen und die tobende See darunter. Grant sah – weiß der Himmel – in diesem Augenblick aus, als wäre er dazu fähig. Vielleicht wollte er sie auch nur glauben machen, dass er sie hinabstürzen würde. Aber Gennie wusste genau, worauf seine Gewalttätigkeit beruhte und wohin der Sturm sie beide führte. Mit aller Kraft wehrte sie sich, als Grant sie zum Leuchtturm zog.
    »Bist du verrückt geworden?«
    »Das bin ich wohl«, gab er unbeirrt zu. Beim nächsten Blitz öffnete sich der Himmel, und Regen stürzte zur Erde.
    »Lass mich los!«
    Grant riss sie an sich. Sein Gesicht wirkte hart im undeutlichen Halbdunkel des entfesselten Sturmes. »Dazu ist es zu spät.«
    Er musste schreien, um

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