Bei Tag und bei Nacht
hatte in diese Familie eingeheiratet, und er persönlich fand die ganze Familie unwiderstehlich. Irgendetwas von ihnen tauchte immer wieder in seinen Bildgeschichten auf. »Wie geht es Rena?«
»Sie hat sich durchgeboxt wie ein Weltmeister. Aber anders hatte ich es auch nicht erwartet. Ihre Mutter war sehr besorgt. Na ja, Frauen!«
Er ließ unerwähnt, dass er selbst darauf bestanden hatte, ein Flugzeug zu chartern und zu seiner Tochter Serena zu fliegen, als die Wehen einsetzten. Wie ein Wahnsinniger war er im Wartezimmer umhergelaufen, wohingegen seine Frau Anna in aller Ruhe an einer Babydecke strickte.
»Justin ist während der ganzen Zeit bei ihr geblieben.« In seinem Ton lag Bedauern. Wahrscheinlich hatte das Krankenhauspersonal seine liebe Not gehabt, Daniel MacGregor vom Entbindungssaal fernzuhalten.
»Hat Shelby ihren Neffen schon gesehen?«
»Die sind auf Hochzeitsreise gewesen.« Man hörte den tadelnden Schnaufer. »Aber nun kommen sie am nächsten Wochenende her. Das ist auch der Grund meines Anrufs. Wir möchten dich auch hierhaben, mein Junge. Die Familie soll vollzählig sein, auch das Baby ist da. Anna wird unleidlich, wenn sie ihre Kinder nicht gelegentlich um sich hat. Du weißt ja, wie Frauen sind.«
Grant wusste, wie Daniel war. Aber freundlich entgegnete er: »Alle Mütter sind gleich.«
»Also abgemacht, wir erwarten dich Freitag.«
Grant überschlug in Gedanken seinen Zeitplan. Er hatte Sehnsucht nach seiner Schwester und den MacGregors. Außerdem wollte er Gennie gern die Menschen vorstellen, die er als seine Familie betrachtete. »Ich könnte mich freimachen, Daniel«, sagte er. »Darf ich jemanden mitbringen?«
»Jemanden?« Daniel wurde hellhörig und vergaß sogar seine Zigarre. »Und wer könnte das sein?«
Grant lachte in sich hinein. »Eine Künstlerin aus New England. Sie malt augenblicklich hier in Windy Point. Euer Haus würde ihr sehr gefallen.«
Daniel war begeistert. Junge Menschen zusammenzubringen war sein liebstes Hobby. Bedurften sie nicht der Weisheit und des Rates der älteren Generation? Und Grant – obwohl er ein Campbell war – gehörte schließlich zur Familie. »Eine Künstlerin. Wie interessant! Selbstverständlich kommt sie mit. Das Haus ist mehr als groß genug. Vielleicht ist sie jung und hübsch?«
»Sie ist beinahe siebzig«, sagte Grant ruhig und lehnte sich zufrieden an die Küchentür. »Etwas untersetzt, Gesicht wie ein Frosch, aber enorm talentiert und überaus gefühlsbetont. Ich muss zugeben, dass ich verrückt bin nach ihr.«
Schade, dachte er, dass ich Daniels Gesicht nicht sehen kann. »Echte Herzensbindung wiegt doch Alter und körperliche Schönheit auf, meinst du nicht auch?«
Daniel räusperte sich, dann fand er seine Stimme wieder. Der Junge schien tatsächlich in einer schlimmen Situation zu sein. Er brauchte Hilfe – viel Hilfe. »Komm, so früh du kannst, Grant. Darüber müssen wir ausführlich sprechen.« Er verdrehte die Augen: »Siebzig, sagst du?«
»Ja, beinahe. Aber wahre Erotik kennt kein Alter. Gerade in der letzten Nacht haben wir …«
»Nein, nein«, wehrte Daniel entsetzt ab, »das musst du mir jetzt nicht erzählen. Wir werden ein langes Männergespräch führen, wenn du hier bist.« Er atmete tief. »Weiß Shelby schon …? Ach was, bis Freitag also. Dann sehen wir weiter.«
»Wir sind rechtzeitig bei euch.« Grant legte den Hörer auf und amüsierte sich königlich. Das würde dem Familienoberhaupt zu denken geben. Fürs Erste hatte Daniel seinen Kopf voll.
In bester Laune stieg Grant die Treppen hinauf zum Studio. Jetzt war er in richtiger Stimmung. Nun konnte er arbeiten bis zum Abend – und bis Gennie wiederkäme.
9. K APITEL
Noch nie hatte Gennie sich so schnell zu etwas überreden lassen. Im Handumdrehen erklärte sie ihr Einverständnis, packte die Malsachen und einen Handkoffer und saß auch schon im Flugzeug.
Grant liebte die MacGregors. Ein so starkes Gefühl anderen gegenüber war bei ihm eine Seltenheit. Gennie begleitete Grant in erster Linie, um in seiner Nähe zu bleiben. Außerdem wollte sie seine Freude teilen. Sie war gespannt, wie er sich in einer Umgebung verhalten würde, die weit entfernt von seinem Turm war – und unter vielen Menschen.
Zu ihrem Erstaunen hatte sie vernommen, dass Grant eine Schwester hatte, die auch dort sein würde. Gennie hätte gern mehr über Grants Jugend erfahren, mochte aber nicht fragen und hoffte, dass er eines Tages von selbst sprechen würde. Über
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