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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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in den Sinn gekommen, dass Gennie auf Anerkennung und Lob gewartet hatte. Grant war sich seiner Begabung wohlbewusst und akzeptierte die Tatsache als Selbstverständlichkeit, dass er auf seinem Gebiet zu den Allerbesten gehörte. Was andere dachten, das interessierte ihn nicht. Bei Gennie hatte er die gleiche Einstellung vorausgesetzt.
    Hätte er nur im Entferntesten gewusst, durch welche Höllenqualen sie vor jeder neuen Ausstellungseröffnung ging, wäre er höchst erstaunt gewesen. Dass er sie neulich mit seiner hingeworfenen Bemerkung zutiefst verletzt hatte, konnte er sich überhaupt nicht vorstellen.
    »Dann hat es dir also gefallen?«
    »Was denn?«
    »Das Bild!« Gennie wurde ungeduldig. »Das, was ich für dich bei deinem Turm gemalt habe.«
    Grant konnte Gennies Gedankengang nicht folgen, und er hörte auch nicht ihre stumme Bitte um Bestätigung. »Weil es ein anderes Gebiet ist«, meinte er kühl, »bedeutet das schließlich noch nicht, dass ich zu blind bin, um ein Genie zu erkennen.«
    Beide hatten einander missverstanden und schwiegen.
    Warum sagt er nicht einfach seine Meinung? fragte sich Gennie. Alles muss man aus ihm herausholen.
    Grant überlegte unsicher, ob für Gennie nur ernste Malerei als Kunst galt. Was zum Teufel würde sie darüber denken, wie er sich seinen Lebensunterhalt verdiente? Waren Cartoons für sie nur komische Geschichten? Wie würde sie auf Veronica reagieren, die in ein paar Wochen im »New York Daily« ihren ersten Auftritt hatte? Mit quietschenden Bremsen hielt der Wagen vor dem großen Tor.
    »Du wirst Augen machen«, Grants Ton war freundlicher, »ich dachte auch zuerst, es kann nicht wahr sein.«
    »Es scheint demnach alles zu stimmen, was ich über Daniel MacGregor gelesen habe.« Gennie stieg aus. »Mächtig ist er und exzentrisch. Ein Mann, der seinen eigenen Weg geht. Ist seine Frau tatsächlich Ärztin?«
    »Eine bekannte Chirurgin, und sie haben drei Kinder. Du wirst unaufhörlich Daniels Klagen vernehmen, dass erst ein Enkel da ist. Meine Schwester ist mit dem ältesten Sohn Alan verheiratet.«
    »Alan MacGregor …«
    »… der Senator, das stimmt. Er hat noch viel vor sich.«
    »Würde dir ein direkter Draht ins Weiße Haus gefallen?« Gennie lachte ihm zu.
    Grant dachte an Macintosh. »Noch ist nichts bestimmt«, meinte er vage. »Aber ich hatte schon immer eine etwas … verzerrte Zuneigung für Politiker im Allgemeinen.« Er griff nach Gennies Hand und zog sie die roh behauenen Steinstufen hinauf zum Tor.
    »Dann gibt es noch Caine, Sohn Nummer zwei und Rechtsanwalt von Beruf. Er heiratete kürzlich eine Anwältin, die zufälligerweise die Schwester vom Ehemann der jüngsten Tochter ist.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich alles verstanden habe.« Gennie interessierte augenblicklich viel mehr der schwere Türklopfer in Form eines Löwenkopfes aus massivem Messing.
    »Du wirst keine Schwierigkeiten haben.« Grant hob den Löwenkopf hoch und ließ ihn fallen, dass es dröhnte. »Rena – die Tochter – heiratete einen Spieler. Ihnen beiden gehört eine Reihe von Casinos mit allem Drumherum in Atlantic City.«
    Gennie betrachtete Grant mit Erstaunen. »Du bist gut informiert.«
    »Ja.« Grant schmunzelte, als die Tür sich öffnete.
    Der Rotkopf aus dem Mercedes lehnte am Türrahmen und musterte Grant von oben herab. »Noch immer verirrt?«
    Dieses Mal umarmte Grant sie und gab ihr einen deftigen Kuss. »Es sieht so aus, als hättest du den ersten Monat als Ehefrau überstanden. Dicker bist du nicht geworden.«
    »Und von deiner Zunge rollen nach wie vor schönste Komplimente wie Wassertropfen«, gab sie zurück und erwiderte seine Begrüßung. »Ich sage es nicht gern, aber es tut gut, dich wiederzusehen.« Über Grants Schulter hinweg blickte sie zu Gennie. »Ich bin Shelby.«
    Also das ist seine Schwester! Gennie konnte keinerlei Ähnlichkeit zwischen beiden entdecken. Shelby schien ein Energiebündel zu sein. Sie hatte eine schlanke, elegante Figur und wildes rotes Haar. Grants Schwester war eine Kombination von weißem Porzellan und leuchtenden Flammen.
    »Ich bin Gennie, und ich freue mich, dich kennenzulernen.«
    »Um die siebzig, oder?«, meinte Shelby vielsagend zu ihrem Bruder und griff Gennies Hand. »Wir müssen uns schnell anfreunden, und dann verrätst du mir, wie du die Gesellschaft dieses Menschen länger als fünf Minuten ertragen kannst. Alan ist übrigens im Thronsaal bei MacGregor.« Grant versuchte vergeblich zu Wort zu kommen. »Hat er dir

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