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Bei Tag und bei Nacht

Bei Tag und bei Nacht

Titel: Bei Tag und bei Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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seine Liebe war sie glücklich, doch seine Verschlossenheit bekümmerte sie. Lag die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft nicht in weiter Ferne, wenn keine Offenheit herrschte?
    Grant saß am Steuer des Wagens, den sie bei der Ankunft auf dem Flugplatz gemietet hatten. Nach etwa einer Stunde bog er von der Küstenstraße ab und fuhr zwischen steilen Klippen die Zufahrt zum MacGregor’schen Besitz hinauf.
    Gennie hielt die Augen halb geschlossen und war tief in Gedanken versunken.
    »Was überlegst du?«, fragte Grant.
    Sie schaute ihn an, und ein Lächeln verscheuchte sofort den Schimmer von Traurigkeit. »Dass ich dich liebe!«
    So einfach klang das, doch es drang Grant bis ins Herz. An einer Ausweichstelle brachte er den Wagen zum Halten. Dann nahm er Gennies Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie. Seine Lippen glitten wie ein Hauch über ihre Lider, ihre Stirn und ihren Mund. Diese behutsame Zärtlichkeit band sie fester an ihn als tausend Ketten. Grant spürte ihr Zittern, und alle Gedanken begannen sich zu drehen.
    »Ich habe Sehnsucht nach dir«, hörte er Gennie sagen, und sein Griff wurde fester. Danach begrub er das Gesicht in ihrem Haar.
    »Gennie, noch ein paar Minuten, und ich vergesse, dass heller Tag ist und wir auf einem öffentlichen Weg halten.«
    Zärtlich massierte sie seinen Nacken. »Ich habe es schon vergessen.«
    Grant atmete schwer. »Sei vorsichtig!«, warnte er ruhig. »Es fällt mir schwerer, an meine Erziehung zu denken, als mich unzivilisiert zu benehmen. Im Moment würde ich dich gern auf den Rücksitz ziehen, dir die Kleider vom Leib reißen und dich lieben, bis dir die Sinne vergehen.«
    Gennie fühlte angenehm sinnliche Schauer über ihren Rücken rieseln. Sie schmiegte sich an ihn und raunte verführerisch: »Muss man der Natur nicht freien Lauf lassen?«
    »Gennie …«
    Das Geräusch eines näher kommenden Fahrzeugs half Grant, seine Beherrschung zu bewahren. Zögernd schaute er auf. Über seine Schulter hinweg konnte Gennie erkennen, dass dicht neben ihnen ein Mercedes hielt. Den Fahrer konnte sie nicht sehen, aber daneben saß eine hübsche junge Frau mit üppigem, leuchtend rotem Haar. Sie lehnte sich aus dem Fenster und fragte anzüglich: »Haben Sie sich verfahren?«
    Grant warf ihr einen drohenden Blick zu, griff dann zu Gennies grenzenlosem Erstaunen mit der Hand in die wehenden Locken und zog daran. »Verschwinde!«
    »Manche Leute sind es einfach nicht wert, dass man ihnen helfen will!« Der rote Schopf verschwand ins Innere der Limousine, die weiterfuhr.
    »Grant!«
    Gennie wusste nicht, ob sie lachen oder mit ihm schelten sollte. »Selbst für dich war das mehr als unhöflich.«
    »Neugierige Menschen sind mir ein Gräuel«, bemerkte er leichthin und startete den Motor.
    Gennie lehnte sich im Sitz zurück. »Das hast du deutlich genug gezeigt. Mehr und mehr erscheint es wie ein Wunder, dass du mir in der Nacht deine Tür geöffnet hast.«
    »Es war eben ein schwacher Moment.«
    Sie warf ihm einen Seitenblick zu und gab es auf. »Wie weit ist es noch? Vielleicht könntest du mir ein paar Tipps geben zu den Leuten …« Sie vollendete den Satz nicht, sondern rief überwältigt: »Gütiger Himmel!«
    Es war unglaublich, unmöglich – wundervoll. Dunkelgrau im letzten Licht der untergehenden Sonne erhob sich plötzlich vor ihnen ein Märchenschloss. Wie man es fertiggebracht hatte, es dorthin zu setzen – direkt zwischen Felsen und schäumende Brandung –, war rätselhaft. Aber da stand es, beherrschte die Steilküste und bewachte das Meer. Eine Vielzahl bunter Blumen säumte die Mauern und schmückte die Fenster, leuchtete verschwenderisch in allen Farben des Hochsommers. Die dunklen Kronen der hohen Bäume landeinwärts ließen dagegen einen Hauch des nahenden Herbstes ahnen.
    Es war klar für Gennie, dass sie hier malen musste, ob sie wollte oder nicht.
    »Dachte ich es mir doch!« Grants frohlockende Stimme drang undeutlich an ihr Ohr.
    »Was?« Gennie konnte den Blick nicht abwenden.
    »Warum hast du deinen Pinsel noch nicht in der Hand?«
    »Ich wünschte, es wäre so.«
    »Wenn du das hier mit nur halb so viel Kraft und Können einfangen kannst, wie es dir bei dem Klippenbild gelungen ist, dann müsste ein großartiges Gemälde entstehen.«
    Verdutzt wandte Gennie sich ihm zu. »Ich hatte den Eindruck, als gefiele dir das Bild nicht?«
    Grant schnaubte missbilligend und nahm mit Schwung die letzte Kurve. »Wie dumm kann der Mensch sein.« Es wäre ihm nie

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