Bei Tag und bei Nacht
Grant sich beinahe an seinem Scotch verschluckt hätte. »Vielen Dank«, entgegnete sie unsicher.
»Gennie ist zufälligerweise eine Cousine von mir«, mischte sich Justin ein, »aus der französischen Adelslinie.«
»Eine Cousine?« Daniel überlegte einen Moment lang, dann huschte ein vergnügtes, listiges Lächeln über sein Gesicht. »Somit bleibt alles in der Familie. Grandeau ist ein guter, alter Name. »Du …«, ohne Übergang hatte er die Anrede gewechselt, »erinnerst mich an eine Königin, die sich mit Zauberei auskennt.«
»Ähnliches hörte ich schon.« Gennie warf Grant einen Blick zu und fuhr fort: »Einer meiner Ahnen war übrigens mit einer Zigeunerin liiert. Das Ergebnis waren Zwillinge.«
»Außerdem ist ein Seeräuber in ihrem Stammbaum«, warf Justin ein.
»Sehr gut!« Daniel nickte anerkennend. »Die Campbells brauchen so viel frisches Blut wie möglich.«
»Vorsicht, MacGregor!«, warnte Shelby, denn Grant sah zwischenzeitlich ziemlich ärgerlich aus. Gennie spürte die angespannte Atmosphäre, die allerdings keiner besonders ernst zu nehmen schien. Er will uns verkuppeln, dachte sie amüsiert und registrierte schadenfroh Grants finstere Miene.
Alan fühlte Mitleid mit seinem Schwager. Um den Vater abzulenken, fragte er leichthin: »Wo bleibt nur Caine?«
Sein Versuch wurde ein voller Erfolg. »Ha!«, schnaubte Daniel und leerte in einem Zug sein Glas, »dem Jungen geht sein Beruf über seine Mutter.«
»Sie ist noch im Krankenhaus«, erklärte Serena und fuhr ironisch fort: »Sie wird zusammenbrechen, wenn sie vor ihm heimkommt.«
»Spotte nicht«, mahnte Daniel. »Sie begreift eben nicht, dass ihr euer eigenes Leben lebt. Eine Mutter bleibt eine Mutter.«
Serena verdrehte die Augen, und das Geräusch des Türklopfers übertönte Daniels Antwort. Alan sprang auf, um zu öffnen.
Gleichzeitig konnte er Caine vorbereiten, dass das Barometer auf Sturm stand. Selbst Grant fühlte sich verpflichtet, Caine aus der Schusslinie zu bringen.
»Gennie ist fasziniert von dem Haus«, begann er. »Sie hofft, dass sie es malen darf.«
Daniel reagierte sofort. Er fühlte sich höchst geschmeichelt. »Es wird sich bestimmt eine Lösung finden, die uns beiden gefällt«, sagte er. Im Stillen frohlockte er. Ein Grandeau von der MacGregor’schen Festung! Abgesehen vom finanziellen Wert des Gemäldes würde sein Stolz ins Unermessliche wachsen. Und welch ein Vermächtnis für die Enkelkinder! »Wir sprechen noch darüber«, stimmte er zu, denn in diesem Augenblick betrat sein jüngster Sohn den Saal.
Gennie schaute auf. Caine war ein schlanker, hochgewachsener Mann mit dem Äußeren eines intelligenten Salonlöwen. Sie war nun sehr gespannt auf die Mutter dieser bemerkenswerten Exemplare der menschlichen Rasse, denn nicht alles wies auf MacGregor’sches Erbgut hin.
Mit Caine zusammen war seine junge Frau hereingekommen, Justins Schwester. Gennie bemerkte, dass beide sich einen kurzen Blick zuwarfen und dass eine steile Falte auf Justins Stirn erschien. Plötzlich lag spürbar Spannung in der Luft.
»Wir wurden in Boston aufgehalten«, meinte Caine und ging direkten Weges zu seinem Neffen. Beim Anblick des Babys wurde sein Gesicht weich. »Hast du fein gemacht, Rena!«, lobte er.
»Wenn du dich verspätest, könntest du wenigstens anrufen, damit sich deine Mutter nicht ängstigt«, grollte Daniel.
Caine hob ironisch eine Augenbraue, schwieg aber.
»Es ist meine Schuld gewesen«, mischte sich Diana ein.
»Ihr erinnert euch an Grant?« Serena überspielte geschickt die Peinlichkeit. »Er hat einen Gast mitgebracht, Genevieve Grandeau, sie ist eure Cousine.« Was ist mit Diana los? dachte Serena. Ich muss sie schnell allein sprechen.
»Eine Cousine?«, fragte Caine neugierig und freundlich, während Dianas ablehnendes Gesicht noch kühler wurde.
»Ja.« Gennie erhob sich, die verklemmte Atmosphäre war ihr unangenehm. »Aber getroffen haben wir uns nur selten. Ein Mal in Boston beim Kindergeburtstag.«
»Ich erinnere mich«, sagte Diana kurz.
Hatten wir damals Streit? überlegte Gennie fieberhaft, jedoch ohne Ergebnis. Nun, nicht jeder ist einem sympathisch. Sie verfiel unbewusst in die – wie Grant es nannte – hoheitsvolle Haltung und nippte an ihrem Sherry. »Wie Shelby schon sagte: Die Welt ist klein.«
Caine ärgerte sich über seine Frau und legte die Hand beruhigend auf Dianas Schulter. »Willkommen, Cousine!«, begrüßte er Gennie mit charmantem Lächeln und wandte sich dann Grant
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