Bei Tag und bei Nacht
damit sie ihm eine neue Chance gäbe.
Gennie ist schuld, dachte er, um wieder wütend zu werden. Ihretwegen benehme ich mich wie ein Geisteskranker.
Seit mehr als zwei Wochen hatte Grant keine Nacht mehr richtig geschlafen. Die Einsamkeit, die er angeblich liebte und brauchte, drohte ihn zu ersticken. Lange konnte das nicht so weitergehen, sonst würde er noch den letzten Rest seines Verstandes verlieren.
Wütend ließ er das Geländer los. Arbeiten konnte er nicht, also wollte er zum Strand gehen, um sich auszulaufen. Vielleicht würde er dadurch etwas Ruhe finden.
Alles sieht noch wie damals aus, dachte Gennie, als sie das Ende der engen, holprigen Zufahrt erreichte. Nur der Sommer war endgültig dem Herbst gewichen. Die Wellen rauschten und klatschten gegen die Felsen. Der Leuchtturm wirkte noch immer stark und zuverlässig. Wie albern, zu glauben, dass durch ihr Weggehen sich etwas Wichtiges, vielleicht sogar Wesentliches geändert haben könnte.
Auch Grant würde sich nicht verändert haben. Gennie holte tief Luft und stieg aus dem Wagen. Nie würde sie es wollen, dass er sich in jemand verwandelte, der nicht der einzigartige, einmalige Grant Campbell wäre. Sie hatte sich verliebt in seine raue Schale, seine widerborstige Empfindsamkeit und … ja, sogar in seine Grobheit. Vielleicht war sie eine Närrin. Aber sie wollte ihn nicht anders haben. Alles was sie wollte, war sein Vertrauen.
Wenn sie den letzten Macintosh-Strip missverstand … Wenn Grant sie abwies …? Nein, sie würde nicht daran denken. Sie wollte sich darauf konzentrieren, einen Schritt vor den anderen zu setzen, bis sie Grant gegenüberstand. Es war höchste Zeit, dass sie damit aufhörte, sich feige vor dem Wichtigsten in ihrem Leben zu drücken.
Als sie am Turm ankam, blieb sie abrupt stehen. Sie spürte, dass Grant nicht da war, sie brauchte die Tür gar nicht erst zu öffnen. Sein Wagen parkte am gewohnten Platz in der Nähe des kleinen Hauses, das sie bewohnt hatte. Hatte er vielleicht das Boot genommen? fragte sie sich, als sie um den Turm herumging. Das Boot schaukelte friedlich am Steg.
Dann wusste sie es und wunderte sich, dass sie nicht gleich daran gedacht hatte. Ohne zu zögern, ging sie auf die Klippen zu …
Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und den Kopf gesenkt, marschierte Grant gegen den Wind am Strand entlang. So ist also Einsamkeit, dachte er bitter. Jahrelang hatte er allein gelebt, ohne unzufrieden zu sein. Auch das hatte Gennie vollbracht. Wie war es möglich, dass ein einziges weibliches Wesen ein Leben so grundlegend verändern konnte?
Er versuchte bewusst, sich in Wut zu bringen. Ärger tat nicht weh. Gennie würde ihm Rede und Antwort dafür stehen müssen und für noch mehr, sobald er sie gefunden hatte. Sein Leben verlief genauso, wie er es hatte haben wollen, bis sie auftauchte. Liebe, oh, sie konnte von Liebe reden, dann verschwinden – und das nur, weil er sich wie ein Idiot benommen hatte.
Sollte er nach New Orleans fahren? Vielleicht war Gennie inzwischen dort? Er könnte warten … Einmal musste sie kommen. Die Stadt bedeutete ihr sehr viel. Verdammt, warum saß er nicht bereits im Flugzeug, das ihn nach Süden brachte?
Grant machte kehrt … und erstarrte. Jetzt hatte er schon Halluzinationen.
Gennie betrachtete ihn mit einer Ruhe, die nicht ihr Herzklopfen offenbarte. Grant sah so verlassen aus – nicht so wie früher, als er in seiner selbst gewählten Einsamkeit lebte, sondern einfach so verwaist. Vielleicht bildete sie sich das nur ein, weil sie es erhoffte. Sie nahm all ihren Mut zusammen und ging auf ihn zu.
»Ich möchte wissen, was du damit gemeint hast.« Aus ihrer Tasche zog sie den Ausschnitt seines Cartoons aus der letzten Sonntagszeitung.
Grant starrte Gennie an. Vielleicht sah er Dinge … Vielleicht hörte er sie auch, aber … Langsam hob er die Hand und berührte ihr Gesicht. »Gennie?«
Ihre Knie wurden weich. Energisch nahm sie sich zusammen. Sie würde nicht in seine Arme fallen. Das wäre zu leicht und würde nichts klären.
»Ich möchte wissen, was das bedeutet!« Sie hielt ihm den Zeitungsausschnitt hin.
Verdutzt schaute Grant auf sein Werk. Es war nicht leicht gewesen, diesen Cartoon terminlich so schnell in die Zeitung zu bringen. Er hatte dafür alle seine Beziehungen spielen lassen und selbst wie ein Verrückter daran arbeiten müssen. Wenn es Gennie zur Rückkehr veranlasst hatte, dann war es die Mühe wert gewesen.
»Es bedeutet das, was es
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