Bei Tag und Nacht
sein.«
Adrian atmete tief durch und setzte sich langsam auf, entzog sich ihr. Er starrte in die Ferne. »Es ist jetzt nicht mehr wichtig, und sicher war es besser so. Sie war Richard untreu, wie sie mir auch untreu geworden wäre. Ich wäre ein schrecklicher Ehemann gewesen, und ...«
»Das ist nicht wahr! Du bist freundlich und rücksichtsvoll. Du bist mutig und stark. Alles, was einen wunderbaren Ehemann ausmacht!«
»Nun... sei es, wie es sei, die Zeiten sind vorbei. In der darauffolgenden Woche habe ich mich zur Armee gemeldet und mein Leben umgestaltet. Ich bin älter und klüger - und nicht mehr so kindisch, an die Liebe zu glauben.«
Der Kloß in ihrem Hals schwoll an. Er glaubte nicht an die Liebe ... wie sollte er auch - nach alldem?
»Du täuschst dich, Adrian.« Sie beugte sich vor und küßte seine Wange mit einem schmerzlichen Ziehen in der Brust. »Es gibt so etwas wie Liebe. Nur finden manche Menschen sie nie.«
Sie wollte noch mehr sagen, zum Beispiel, daß Miriam ihn vielleicht nicht geliebt hatte, sie aber schon - wahnsinnig, leidenschaftlich, mehr als das Leben. Er sollte wissen, daß sie ganz anders war als Miriam Springer: mit Hilfe seines Vertrauens könnte sie ihm seinen langgehegten Traum erfüllen ...
Aber sie wagte es nicht. Die Kälte seiner Miene hielt sie zurück, und sie fürchtete, er würde ihr nicht glauben. Womöglich würde er sich zurückziehen, so daß sie ihn gänzlich verlor. Sie mußte ihm Zeit lassen, hoffen, daß seine Gefühle für sie Zunahmen, wie es in letzter Zeit den Anschein hatte.
Er schaute hoch und sah die Tränen auf ihren Wangen. »Teufel auch - du weinst ja!«
Sie schniefte und versuchte zu lächeln, was ihr mißlang. »Es tut mir leid. Aber es war so gemein, was sie dir angetan haben.«
Hastig drückte er einen weichen Kuß auf ihre Lippen. »Ich sagte dir doch, daß es mir nichts mehr ausmacht. Das alles ist Vergangenheit.«
Sie nickte, gab sich tapfer. »Liebst du .. . liebst du sie immer noch?« Sie hatte ihn das nicht fragen wollen, konnte kaum glauben, daß sie es wirklich ausgesprochen hatte.
Adrian schüttelte den Kopf. »Offengestanden bezweifle ich, ob ich sie überhaupt je geliebt habe. Sie war nur Teil eines Traums - einer Phantasie, in die ich mich hineinsteigerte.«
Elissa sagte nichts. Die Gefühle sprengten ihr fast die Brust. Sie schluckte, um den Kloß im Hals zu beseitigen. »Sie hat dich nicht verdient. Miriam war die Dumme, mein Liebster, nicht du.«
Sein Blick traf sie unvermutet. Etwas flackerte in seinen Augen auf und verschwand sofort. Plötzlich erhob er sich und griff nach seinen Kleidern. »Es ist Zeit zum Aufbruch.«
Zuversichtlich betrachtete Elissa den schwarzen Hengst, der etwas abseits friedlich graste. »Minotauros bringt uns bestimmt schnell zurück, und der Ausflug war es wirklich wert.« Sie lächelte, ihr Herz floß über vor Liebe. »Vielen Dank, Adrian. Ich werde diesen Tag nie vergessen und die Erinnerung daran immer wertschätzen!«
Adrian nickte, aber in seinem Blick lag etwas anderes - Ferne. Es hatte den Anschein, als trachte er jedesmal, wenn er etwas von sich erzählt hatte, danach, schleunigst wieder das Weite zu suchen.
Als er fertig angezogen war, griff er nach den Zügeln des Hengstes und führte ihn durch den kühlen Waldschatten zurück auf den Weg.
Unter ihren Wimpern hervor sah ihm Elissa zu und fragte sich, ob sie ihm hätte sagen sollen, was sie alles empfand. Vielleicht war es falsch zu schweigen, wenn er ihre Liebe doch so dringend brauchte. Trotzdem riet ihre innere Stimme, noch abzuwarten.
In der Ferne vor ihnen blitzte etwas im Sonnenlicht auf und weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie blinzelte, weil es so hell war. Der lange, glänzende Lauf einer Muskete ragte über einem Felsen hervor und bewegte sich. Natürlich wollte sie ihren Augen nicht trauen.
Ein fürchterlicher Schreck durchfuhr sie - die Muskete zielte direkt auf Adrians Herz.
»Adrian!« Ohne zu zögern, warf sie sich vor ihn, die Arme ausgestreckt, um ihn zu beschützen. Im selben Moment hörte sie das Gewehr losgehen, als Adrian sie entdeckte - doch es war schon zu spät. Ein rasender Schmerz durchfuhr ihren Kopf. Elissa schrie auf und kippte nach vorn, rutschte an Adrians Körper abwärts, hörte seine tiefe Stimme kaum noch, die ihren Namen rief. Adrian ließ sie zu Boden sinken, bedeckte sie mit seinem Leib und zog sie dann zentimeterweise in den Feuerschutz von ein paar Felsen. Der blaue Himmel über ihr war das
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