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Bei Tag und Nacht

Titel: Bei Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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Mutter hatte ihr zwar mindestens ein dutzendmal geraten, nicht ohne Nachthemd zu schlafen, doch das hatte sie ja stets von sich gewiesen. Es war ihr in dem überflüssigen Gewand, auf dem ihre Mutter immer so hartnäckig bestand, einfach zu warm, so daß sie es nachts regelmäßig ausziehen mußte.
    Jetzt war sie eine erwachsene Frau. Sie konnte ohne Kleider schlafen, wenn ihr das gefiel - niemanden außer sie selbst ging das etwas an. Zumindest hatte sie das bisher angenommen.
    Elissa drückte stöhnend den Kopf ins Kissen und dachte an den gutaussehenden, muskulös breiten, dunkelhaarigen Kaval-lerieoffizier, der sich in ihr Schlafzimmer geschlichen hatte. Sie hegte keine Zweifel, hinsichtlich seiner Absichten - jetzt, wo sie wach genug war, um seine Erklärung zu verstehen. Erst vor zwei Tagen war sie in der Villa eingetroffen, unterwegs als Gräfin von Langen in Begleitung Ihrer Gnaden, der Herzogin von Murau. Der Kaiser, der eine schwache Gesundheit hatte, hatte sich entschlossen, hier eine Badekur zu machen. Sein Hofstaat war mit ihm gekommen, und dem zufolge auch Elissa mit der Herzogin.
    Bis gestern bewohnte dieses Schlafzimmer noch Lady Cecily Kainz, die häufig in der Villa zu Besuch war - eine sinnenfrohe Lebedame, die sich für jeden Mann interessierte, der ihren Weg kreuzte. Angesichts des jüngsten Zwischenfalls lag es auf der Hand, daß die Vicomtess eine Affäre mit dem Beau in der scharlachroten Uniform hatte. Und genauso offensichtlich wußte er nicht, daß Cecily inzwischen, wenn auch sehr widerwillig, zu ihrem alternden Ehemann zurückgekehrt war.
    Im Anschluß daran, und auf das Insistieren der Herzogin hin, hatte Elissa dieses Zimmer mit Blick auf den Garten bezogen, das eines der hübschesten in der ganzen Villa war. Nachdem sie am Abend einer musikalischen Darbietung im Rubinsalon beigewohnt hatte, war sie schnell eingeschlafen und ins Land der Träume geglitten.
    Träume vom warmen Mund eines Mannes auf ihrer Haut, von seiner Zungenspitze, die zärtlich über ihren Nacken strich, von seinen großen Händen, die über ihren Körper glitten. Sie hatte sich erhitzt gefühlt, ihre Haut hatte am ganzen Körper gekribbelt. Sie war froh gewesen, daß sie kein Nachthemd trug - und dann hatte sie die Augen geöffnet.
    Elissa murmelte einen Fluch, warf den Kopf auf dem Kissen hin und her und schlug mit der Faust aufs Bett. Herr im Himmel, sie war immer noch voller Entsetzen.
    Während sie durch die französischen Fenster hinausschaute, fragte sie sich, ob sie wirklich das Pech haben könnte, den Kerl wiederzutreffen, wie er vorausgesagt hatte. Wer mochte er wohl sein? Ein Engländer, nach seiner Uniform zu schließen, obwohl er fast akzentfrei Deutsch sprach.
    Und bei allen Heiligen, er sah wirklich gut aus - leuchtend grüne Augen, ein kräftiges, kantiges Kinn und ein voller, sinnlicher Mund, mit vielversprechenden Konturen. Wenn er lächelte, hatte er sogar Grübchen. Kein Wunder, daß Lady Cecily ihn gern in die Arme nahm!
    Elissa schloß die Augen und versuchte, nicht mehr an den Märchenprinzen zu denken und einzuschlafen. Morgen war wieder ein wichtiger Tag, und sie hatte keine Zeit für derartige Flausen. Auch wenn die Herzogin ihr volle Unterstützung zugesagt hatte, stand ihr nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung, der unaufhaltsam schwinden würde.
    Das Bild ihres Bruders trat ihr vor Augen, jung und unglaublich strahlend. Kapitän Karl Tauber - noch keine sechs Monate lag er kalt im Grab. Sie dachte an den Brief, den sie und ihre Mutter kurz vor seiner Ermordung erhalten hatten.
    Unsere Armee wächst beständig. Wir sind gut trainiert und bereit, den Franzosen entgegenzutreten; aber ein Zufall brachte mich auf den Verdacht, daß sich ein Verräter in unseren Reihen befindet. Zweifellos muß ich ihn ausfindig machen, obwohl ich weiß, daß das gefährlich werden könnte. Ich möchte euch keine Sorgen bereiten; doch sollte mir etwas zustoßen, dürft ihr die Angelegenheit keinesfalls auf sich beruhen lassen. Ihr müßt dann einen Weg finden, meine Mission zu Ende zu führen. Tausende von Menschenleben stehen auf dem Spiel. Dem Mann ist auf jeden Fall das Handwerk zu legen!
    Karl war dann fortgefahren mit der Erklärung, der Mann nenne sich >der Falke<. Er hatte auch geglaubt, daß es sich bei ihm nur um einen der folgenden handeln könnte: einen General namens Franz Steigler, den britischen Botschafter Sir William Pettigru oder einen gewissen Major Josef Becker, der als Adjutant bei

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