Bei Tag und Nacht
dem Falken zu beweisen und trotzdem ungeschoren davonzukommen? Hoffentlich würde sie nicht wie ein Dieb ertappt werden!
Am oberen Treppenabsatz blieb sie stehen, und ihre behandschuhte Hand schloß sich fest um das vergoldete Geländer. In der Marmorhalle unter ihr wartete der General in seiner blendenden Festuniform - ganz in Weiß, bis auf den roten Kragen, Manschetten und goldene Epauletten. Seine starre, fast bedrohlich wirkende Gestalt rief eisige Beklemmung in ihr wach.
»Lady von Langen!« Seine schwarzen Augen erglühten lüstern, als er gierig den tiefen Ausschnitt ihres Kleides fixierte.
Sie unterdrückte ein Schaudern. »Guten Abend, General! Ich hoffe, Ihr mußtet nicht warten.«
Ein kurzes Flackern erschien in seinem Blick und verschwand sogleich. Er beugte sich über ihre Hand. »Das ist doch unwichtig. Gehen wir?«
Elissa nahm seinen Arm, und sie schritten hinaus zur Kutsche, wo sie noch andere Festteilnehmer erwarteten. In dem Gefährt saßen ein Colonel namens Fleischer und seine Gemahlin, die auch bei Holdorfs Diner gewesen waren, sowie ein General Oppelt, den sie noch nicht kannte. Es beruhigte sie etwas, nicht mit Steigler allein fahren zu müssen.
Auf dem Weg zur Villa des Kaisers unterhielt man sich sehr angenehm. Die kaiserliche Residenz, ursprünglich als Abtei geplant, wirkte mit ihren vielen Türmchen und Schornsteinen fast mittelalterlich; doch es gab große, helle Fenster, durch die die Sonne hereinscheinen konnte, was der Kaiser besonders in der Sommerfrische schätzte.
Als sie ankamen, wimmelte es bereits von Würdenträgern. Die Männer in ihren glitzernden Uniformen, die Frauen mit Perlen und Diamanten geschmückt, lustwandelten unbeschwert auf und ab; doch weckte das Erscheinen von Steigler und General Oppelt eine spürbare Unruhe. Man erkannte deutlich, daß sie zu den engsten Vertrauten des Kaisers gehörten, denn er begrüßte sie persönlich mit warmen Worten.
Und das wiederum bedeutete, dachte Elissa, daß Steigler vertraulichen Umgang mit dem Kaiser pflegte - wie sie schon angenommen hatte.
Höchst galant nahm Steigler Elissas Hand. »Eure Majestät, darf ich Euch die Gräfin von Langen vorstellen!« Er verbeugte sich und zog sie nach vorn. »Sie ist sehr erfreut, von Euch begrüßt zu werden.«
Elissa sank in einen anmutigen Hofknicks und versuchte, sich nicht schuldig zu fühlen für ihre Falschheit, die ja einer guten Sache dienen sollte. »Eure Majestät, ich fühle mich geehrt.«
»Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Lady von Langen.« Er war ein hochgewachsener, eleganter Mann in den frühen Vierzigern, mit schmalem Gesicht und ergrauendem Haar - doch eine Aura von Kraft umgab ihn, und seine Augen ließen seine Intelligenz erkennen. »Ich kannte Euren verstorbenen Mann«, fügte er hinzu. »Allerdings sind wir uns nur einmal begegnet.«
Elissa befeuchtete ihre Lippen und war plötzlich wieder nervös. »Ich - ich wußte nicht, daß Ihr ihn kanntet.«
»Wie gesagt, nur flüchtig.« Er lächelte. »Unter Umständen werden Ihr und ich uns besser kennenIernen.« Überraschenderweise bot er ihr seinen Arm. »Kommt, ich stelle Euch der Kaiserin vor. Und vielleicht möchtet Ihr danach tanzen!«
Die junge Debütantin schöpfte Mut. Sie mochte Seine Kaiserliche Hoheit Franz I. Er war klug und wollte den Krieg gegen Napoleon gewinnen. Vielleicht würde er ihr helfen, wenn sie echte Beweise hatte.
Der Abend verging Stunde um Stunde, Elissa lächelte und tanzte gelegentlich mit Steigler, aber anstatt wie üblich mit seinen Freunden zu verschwinden, blieb er ständig in ihrer Nähe. Die große, geschwungene Treppe, die zu den Schlafzimmern hinaufführte, zog sie magisch an. Sie wußte, wo Steigler wohnte, hatte einen Diener bestochen, es ihr zu verraten und dabei angedeutet, es gehe um ein späteres, geheimes Rendezvous.
Es war ihr peinlich, als die Geliebte des Generals aufzutreten, selbst einem Bediensteten gegenüber, während sie sich in Wahrheit die größte Mühe gab, es nicht dazu kommen zu lassen.
Wenn sie es jetzt noch schaffte, ihm lange genug zu entwischen, um sich nach oben zu stehlen, sein Zimmer zu durchsuchen und unentdeckt zurückzukehren ...
Er stand nicht weit von ihr. Trotz gesenkten Blicks bekam sie mit, wie sich ihm ein Lakai näherte und ihm auf einem kleinen Silbertablett eine Nachricht reichte. Steigler überflog sie kurz und befahl dem Lakaien, dem Absender sein umgehendes Erscheinen mitzuteilen.
Lächelnd wandte er sich Elissa zu, und
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