Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
haben sich nur ein paar abgesondert, aber heute sitzt
fast ein Drittel teilnahmslos in der Ecke, und die Kämme hängen blass herunter.
Ich fürchte, die haben sich was richtig Ekelhaftes eingefangen.«
»Oh …« Ich
weiß nicht so recht, was ich darauf sagen soll.
»Ich habe
den Tierarzt schon angerufen.« Kats Stimme klingt besorgt.
»Wie schlimm
ist es denn, Süße?«
»Tja, das
weiß ich noch nicht. Ich habe die Hühner natürlich impfen lassen, aber man kann
ja nicht gegen alles vorbeugen. Sie machen jedenfalls keinen guten Eindruck. Susa
hat die, die gesund aussehen, von den anderen getrennt. Ich musste ja die Eier noch
ausfahren. Die von vorgestern. Was frisch gelegt wird, kann ich nicht rausgeben,
solange ich nicht weiß, was dahintersteckt.«
»Oh, oh,
das klingt nicht gut.«
In diesem
Moment hebt Lena den Kopf und schielt über unsere Bildschirme hinweg zu mir rüber.
Sie rollt mit den Augen. Alarmiert drehe ich mich um und sehe Maurice. Er steht
am Ende des Ganges und macht mir mit den Händen ein Zeichen, das ich nicht deuten
kann.
Kats Stimme
klingt so, als müsse sie die Tränen zurückhalten, und aus Mitleid und Sorge vergesse
ich Maurice, klicke aber auf dem Bildschirm meine Telefonliste an. So dürfte alles
ganz harmlos wirken. Schließlich kann niemand sehen, mit wem ich spreche.
»Ich weiß
ja nicht, was sie haben, aber ich habe gehört, dass der Bauer vom Nachbarhof die
meisten seiner Rinder wegen Tuberkulose einschläfern musste.«
»Tuberkulose,
im Ernst? Und die könnte auf die Hühner übergehen?«
»Keine Ahnung.
Puh, mir wird ganz anders, ich darf mir das gar nicht ausmalen.«
»Frau Schober.«
Ich rucke
herum. Der Dürrbier steht neben mir. Wann hat er sich angeschlichen, und wieso habe
ich das überhaupt nicht bemerkt? Im Augenwinkel kann ich sehen, wie Maurice den
Kopf einzieht. Ach, du Guter wolltest mich warnen. Hektisch klicke ich auf dem Bildschirm
irgendetwas an und raffe zu spät, dass ich Idiotin damit die Facebookseite öffne.
Schon weht die Muff-Rillo-Kaffee-Fahne zu mir herüber. Der Dürrbier beugt sich über
meinen Schreibtisch und betrachtet die anderen Tabs auf dem Schirm. Ein Glück, dass
ich sonst nur hochoffizielle Fenster geöffnet habe. Stirnrunzelnd liest er die Einträge
auf Kats Pinnwand.
Meine Schwester
kriegt von der ganzen Sache nichts mit. »Lu?«
Ich beschwöre
sie stumm, nicht lauter zu werden.
»Herr Dürrbier
…« Tja, was soll ich noch zu ihm sagen?
»Sie verplempern
meine Zeit, sehe ich das richtig?«
»Aber nein,
ich würde doch nie …«
»LUCY …
bist du noch da?« Dass eine Stimme so laut aus einem Headset dringen kann!
Dürrbier
verschränkt die Arme. »Sind Sie mit den Kunden per Du?«
Ich versuche,
schnell aufzulegen, doch der Dürrbier greift nach meiner Hand und hält sie mit feuchtkalten
Fingern fest.
»N… nein«,
stammle ich.
Mist, Kat,
halt bloß die Klappe!
Anscheinend
versteht sie endlich, dass etwas nicht stimmt. Sie muss ja auch meine Antworten
gehört haben. Über meine Arbeit und meinen Chef weiß sie bestens Bescheid, also
sollte sie einschätzen können, dass Gefahr im Verzug ist, wenn ich den Namen Dürrbier
verwende. Vermutlich hat bloß die Sorge um ihre Hühner sie so unvorsichtig werden
lassen.
Dürrbier
zieht mir einfach das Headset herunter. Darf der das? Dann hält er es an sein Ohr.
Igitt, damit soll ich heute noch arbeiten …
»Wer ist
denn da?«, fragt er. Ich sehe, wie winzige Spucketröpfchen auf dem Headset landen.
Da er den Hörer ein Stück vom Ohr weg hält, kann ich Kats Stimme verstehen.
»Hier ist
Katinka Müller. Ich wollte bei Ihrer sympathischen Mitarbeiterin eigentlich ein
Dominakostüm bestellen, aber sie sagte mir, dass Sie so etwas gar nicht vertreiben.
Schade.«
Dürrbier
leckt sich die Lippen. »Meine Mitarbeiterin wird Ihre Wünsche notieren und sich
wieder bei Ihnen melden.«
Er reicht
mir das vollgesabberte Teil rüber. »Aufschreiben«, fährt er mich an, schließt dann
kurzerhand das Facebookfenster. Leider macht er keinerlei Anstalten zu verschwinden,
sondern wartet mit verschränkten Armen neben mir darauf, dass ich das stinkende
Telefonteil aufsetze und die Wünsche von Katinka Müller notiere. Ich schreibe ›Dominakostüm‹
und eine Fantasieadresse in Bremerhaven auf und beende das Gespräch zügig. Ich glaube,
mir wachsen schon Pickel. Ich muss dieses Headset loswerden, und zwar schnellstens!
Doch der
Chef zieht erst Leine, nachdem er mit erhobener Stimme, sodass
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