Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
gewesen
und hatten sich – nach kurzer ärztlicher Untersuchung – um sie gekümmert.
Vor dem
Sturz hatte nichts darauf hingewiesen, dass da oben ein Selbstmörder stand, der
in den Tod springen wollte. Normalerweise verabschiedete sich jemand, der an so
prominenter Stelle den Freitod wählte, nicht ohne Publikum. Das ließ starke Zweifel
in Frank aufkommen, ob es sich tatsächlich um Suizid handelte.
Als er die
Räume der Bank betrat, warteten fünf typische Banker auf ihn, alle in austauschbaren
Anzügen mit gestreiften Krawatten und sogar fast identischen Haarschnitten. Für
eine Sekunde fragte Frank sich, ob er genauso sehr dem Klischee seines Berufes entsprach
wie diese Männer ihrem.
Dann begann
er mit den langwierigen und langweiligen Verhören.
Hatte Mark
Friskeel Feinde?
Anscheinend
nicht. Er war allerdings nicht über alle Maßen beliebt, dazu schien er sich zu blasiert
zu geben. Doch richtiggehend unbeliebt hatte er sich nie gemacht. Ein Mensch mit
wenig Profil. Vielleicht, weil er noch relativ jung gewesen war … 28 war einfach
kein Alter, um zu sterben.
Hatte er
Grund zum Selbstmord?
Wohl kaum.
Er wollte im September heiraten. Seine sympathische Verlobte war eine junge Referendarin,
die demnächst ihren Abschluss machte und eine Stelle an einem Gymnasium in Aussicht
hatte.
Hatte jemand
gesehen, wie er die Büroräume verlassen hatte?
Nein, niemand
hatte darauf geachtet, aber die Treppe zum Dach ging ja auch nach hinten raus. Allerdings
war Mark Friskeel immer sehr korrekt, was die Arbeitszeiten anging.
Suchte er
öfter das Dach auf und begleitete ihn dabei jemand?
Schon möglich,
aber das wusste man nicht genau. Da könne vielleicht eine Kollegin Auskunft geben,
die für morgen bestellt war. Mit ihr wäre er seit Schulzeiten befreundet gewesen.
Unzufrieden
entließ Frank die Männer. Das war ja nicht gerade ergiebig. Dann stieg er selbst
zum Dach hinauf, um sich ein Bild von der Unglücksstelle zu machen. Er fand das
Geländer und das Türchen, betrachtete die Brüstung, von der Mark Friskeel hinabgestürzt
war. Die Spusi hatte ganze Arbeit geleistet – nicht ein Fetzen Abfall fand sich
im Umkreis, Frank sah lediglich die Rückstände am Geländer, wo man Fingerabdrücke
genommen hatte. Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer seines Büros.
»Ja?« Tina
kannte seine Nummer und meldete sich immer so knapp.
»Gibt es
schon Ergebnisse vom Dach? Habt ihr die Fingerabdrücke überprüft?«
»Sie laufen
noch durch. Bisher Fehlanzeige. Aber das war ja zu erwarten. Ich glaube kaum, dass
ein registrierter Straftäter da oben war.«
Frank seufzte.
»Tja, und die Personalausweise mit gespeicherten Fingerabdrücken werden von den
Bürgern einfach nicht so angenommen wie erhofft. Bleibt mir wohl nichts anderes
übrig, als Fingerabdrücke der Menschen zu nehmen, die in dem Gebäude arbeiten. Sind
ja nur eine Handvoll.«
Tina lachte
auf. »Na, dann fang halt mit den Verdächtigen an.«
Frank betrachtete
einen dunklen Fleck außerhalb des Geländers am Rand der Brüstung. Sicher hatte die
Spusi den auch untersucht. Es sah aus, als habe jemand eine Zigarette ausgedrückt.
»Apropos Verdächtige. Wisst ihr schon, wovon die Tabakreste stammen, die man unten
gefunden hat?«
»Von Zigarillos,
aber die Marke hat das Labor noch nicht bestimmen können.«
»Okay, melde
dich, sobald du die Marke weißt.«
»Noch was
…«
»Ja?« Frank
öffnete das Türchen und ging in die Hocke, um sich den Fleck aus der Nähe anzusehen.
»Unter den
Tabak war Cannabis gemischt.«
Er pfiff
durch die Zähne. »Da hat sich wohl jemand das Leben leichter gemacht. Hat man bei
Mark Friskeel Zigarillos gefunden?«
»Davon hat
der Kollege von der Rechtsmedizin nichts gesagt.«
»Okay, danke
dir, Tina.«
»Frank?«
»Ja?«
»Du weißt,
dass ich längst Feierabend habe. Ich bin quasi schon weg. Ciao!« Sie legte auf.
Frank schloss
das Gatter wieder und machte sich auf den Weg zurück. Vor dem Gebäude hielt er einen
Moment inne. Die restlichen Kollegen von Mark Friskeel würde er morgen befragen.
Die Autopsie-Ergebnisse würden ebenfalls frühestens morgen auf seinem Schreibtisch
landen. Von Interesse war für ihn die Marke der Zigarillos, weil er den Verdacht
hegte, dass sie mit der von Herrn Dürrbier, Lucys Chef, übereinstimmte. Ihm war
vergangene Woche das Päckchen auf dem Schreibtisch nicht entgangen, ebenso wenig
wie Lucys Reaktion darauf.
Er lächelte.
Zu dumm, dass sie seine Hauptverdächtige
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