Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
Weine anbieten, Baby- und Kinderspielzeug
sowie die zugehörigen Illustrierten oder auch Spielsachen für Erwachsene …«
»Sind Sie
so bescheuert oder tun Sie nur so? Begreifen Sie nich, dass ich die Nase gestrichen
voll habe von Ihresgleichen?«
Ihresgleichen
– wie sich das anhört! Als sei ich ein Mensch niederer Herkunft. Irgendwie piekt
mich das ja schon. »Frau Grätz, bitte, werden Sie nicht persönlich. Ich habe Ihnen
nichts getan.« Ich weiß ja, dass es ein Fehler ist, sich betroffen zu zeigen. Meistens
bewirkt man damit genau das Gegenteil von dem, was man will. Mann, diese Gerlinde
Grätz ist aber auch eine grätzige Person …
»Ach nee,
und ich? Habe ich Ihnen vielleicht was getan? Womit hab ich et denn verdient, dass
dauernd diese Bauernfängeranrufe eingehen, zu den unmöglichsten Zeiten? Ich will
Ihnen ma wat sagen: Mir reicht’s endgültig. Ihr seid doch alle Arschlöcher!«
Ich könnte
jetzt lachen. Wie armselig, sich mit diesen unflätigen Ausdrücken Luft zu machen.
Außerdem kann sie mir sonst wo vorbeigehen, schließlich habe ich heute schon meinen
Schnitt gemacht und gleich werde ich Frank Kraus sehen. Ich weiß nicht, was mich
reitet, aber einer meiner Zwillinge hat gerade seine albernen zwei Sekunden.
»Ich habe
Spiegelschutz!«, rufe ich ins Telefon, und meine Brust bebt vor unterdrücktem Lachen.
Ich sehe die inzwischen zurückgekehrte Lena, deren Kopf ruckartig neben ihrem Bildschirm
auftaucht. Sie grinst mich an und schiebt ihren hochgereckten Daumen über den oberen
Bildschirmrand. Und Frau Grätz? Tja, die gute Dame hat wohl Kinder oder Enkel im
Grundschulalter und versteht, was Spiegelschutz bedeutet: so viel wie früher der
Spruch ›Was man sagt, ist man selbst, wenn man nicht die Klappe hält‹. Ich hatte
letzten Samstag schon geahnt, dass der Geburtstag meiner Freundin doch noch irgendeine
positive Seite zeigen würde. Das schöne, völlig harmlose Wort ›Spiegelschutz‹ habe
ich bei einem der Kiddies aufgeschnappt, die mich unbedingt als Vorlesetante haben
wollten.
»Also …«,
Gerlinde Grätz schnauft heftig, »dat ist doch die Höhe. Wollen Sie mich etwa als
Arschloch bezeichnen?«
»Nein, ich
habe nur gesagt, dass ich Spiegelschutz habe. Hören Sie da irgendeine Beleidigung
heraus? Ich nicht, so sehr ich mich auch anstrenge. Spiegel ist ein harmloses Wort,
und Schutz genauso. Nur mal nebenbei bemerkt.« Ich merke, wie viel Genugtuung es
bereiten kann, den Kunden Paroli zu bieten. Einfach mal nicht Fresse halten
…
»Sie unterbelichtetes
Weibsstück«, fängt die Grätz an, doch ich falle ihr ins Wort: »Spiegelschutz!« Ich
bin so in dieses Spielchen vertieft, dass ich meine Umgebung nicht mehr wahrnehme.
Mir scheint, dass Frau Grätz ebenfalls Spaß daran findet, denn sie hört nicht auf
zu keifen.
»Grenzdebile
Versagerin. Haben Sie je richtig gearbeitet? Außer ehrbaren Leuten den Tag zu verderben?
Sie sind doch ein Nichts!«
»Spiegel…«
will ich erneut rufen, da wird mir unsanft das Headset vom Kopf gerissen. Ich fahre
herum und starre in das wutrote Gesicht eines verdorrten Zigarillos – und dahinter
in die tiefbraunen Augen meines geliebten Kommissars. Mir rutscht das Herz in die
Hose. Wie viel haben sie mitgekriegt? Mann, Lucy, wo du dich nur immer wieder reinreitest!
»Bitte entschuldigen
Sie die Belästigungen meiner Mitarbeiterin. Das wird nicht mehr vorkommen. Guten
Tag!«, schnarrt Dürri ins Telefon und legt auf.
Ich sacke
zusammen. Mist, Mist, Mist!
»Lucy …«
Die Stimme
reißt mich sofort wieder raus. Ich lächle Frank Kraus an, wahrscheinlich mit grenzdebilem
Gesichtsausdruck. Er räuspert sich. Bilde ich es mir nur ein, oder riskiert er einen
Blick auf meine Füße, die heute in Riemchensandaletten stecken? Ich beglückwünsche
mich zu der Wahl, denn das kleine Lächeln, das in einem seiner Mundwinkel zuckt,
belohnt mich dafür.
»Ich möchte
noch mit Ihnen sprechen.« Er wendet sich Dürri zu. »Kann ich sie nach draußen entführen?«
»Aber warum
sprechen Sie nicht in meinem Büro mit ihr?« Dürri wirkt entsetzt, doch da kommt
Maurice ins Spiel. Offenbar hat er mitbekommen, dass ich schon wieder eine Spezialkundin
an der Strippe hatte. Der Gute zeigt mir immer sein Mitleid.
»Im Büro
ist jetzt die Putzkolonne.«
Dürri runzelt
die Stirn und wippt auf den Füßen vor und zurück, ehe er mürrisch nickt. »Dann gehen
Sie halt. Ist eh gleich Feierabend.«
»Lucy hat
ja auch schon viel verkauft heute«, fügt Maurice an.
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