Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
Zuversicht siegt. »Hat
er noch andere Sachen gefragt?«
Sie nickt,
dann schluckt sie. »Ja. Ob du zu Wutausbrüchen neigst.«
»Und?«
»Ich habe
natürlich nein gesagt. Aber ich weiß, dass andere die Frage anders beantwortet haben.«
Sie beugt sich zu mir und zieht beim Sprechen die Brauen hoch. »Ich habe auf dem
Klo gehört, wie sich zwei über dich ausgelassen haben. Dass du manchmal richtig
wütend wirst und dass du sogar schon mal einen Kaffeebecher zerknüllt hast.« Sie
lehnt sich zurück. »Aber ich glaube nicht, dass das gilt. Die beiden können dich
nicht leiden, das weiß doch jeder.«
So, da gibt
es zwei, die mich nicht leiden können? Ich wusste das nicht … »Wer denn?«
Als sie
mir die Namen nennt, muss ich lachen. Die eine ist eine ältere Frau, der ich mal
die Klotür vor der Nase zuschlug, als sie mich mit Ratsch und Tratsch über meine
Kolleginnen belämmerte, die zweite ist die Ex eines Exfreundes. Sie war vor gefühlten
30 Jahren mit ihm zusammen und würde am liebsten alle Frauen töten, die nach ihr
kamen. Ich kann nur hoffen, dass Frank die beiden nicht ernst nimmt.
Plötzlich
habe ich es eilig, ins Büro zurückzukehren. Ich muss unbedingt mit Frank sprechen!
Lena bleibt
allein sitzen; sie versteht nicht, dass ich meine Mittagspause freiwillig verkürze.
Kaum verlasse ich den Fahrstuhl, checke ich Dürris Büro. Die Tür ist geschlossen,
das Rollo heruntergelassen. Gehetzt suche ich nach meinem Chef. Ist Frank noch da
drinnen? Dann entdecke ich Dürri an meinem Arbeitsplatz. Was macht der da, verdammt?
Kann er mich nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ich gebe es zu, der Anblick meines
missmutigen Chefs an meinem Schreibtisch löst sofort ein schlechtes Gewissen in
mir aus. Habe ich aus Versehen Facebook offengelassen oder eine andere verbotene
Seite? Als ich zu meinem Platz komme, ist es dann allerdings der Rillomann, der
erschrocken zu mir herumfährt. Ein Blick auf meinen Bildschirm zeigt mir, dass da
nichts Verfängliches zu sehen ist. Offenbar hat Dürri sich meine bisherigen Abschlüsse
angesehen. Dann wird er ja nichts zu meckern finden! Und mit einer Horrorliste wird
er mich hoffentlich auch verschonen, wo ich morgen und übermorgen schon arbeiten
muss.
»Frau Schober,
Kommissar Kraus möchte Sie noch sprechen.«
Mein Herz
schlägt einen Takt schneller. Wie schön! Ich will schon zum Büro eilen, doch er
greift nach meinem Arm. Igitt!
»Nein, jetzt
nicht, es ist noch jemand drinnen. Gehen Sie an Ihre Arbeit.« Nanu, so zahm?
Dürri schiebt
sich zu Lenas Schreibtisch. Hoffentlich hat sie keine verfänglichen Seiten offengelassen!
In dem Hochgefühl
des erfolgreichen Vormittags und der Aussicht auf einen Plausch mit meinem Traummann
– sowie der Vorfreude darauf, meine Manolos endlich in berufene Hände zu geben –,
setze ich mein Headset auf und wähle die nächste Nummer auf meinem Bildschirm. Eine
Dame aus Düsseldorf.
»Grätz«,
meldet sie sich. Ihre Stimme lässt mir die Härchen auf den Armen zu Berge stehen.
Sofort weiß ich, dass hiermit der gute Lauf endet …
»Einen wunderschönen
guten Tag, liebe Frau Grätz, hier spricht Lucinda Schober von der Mediaboutique
…«
»Boah«,
fährt die Stimme mir dazwischen, »dat darf jetzt nich wahr sein! Sie haben mir grade
noch gefehlt!«
»Darf ich
Ihnen ein Angebot unterbreiten? Wir haben diese Woche supergünstige Konditionen
für ein Abonnement der ›TVfix‹ in Kombination mit einem Probeabo einer Illustrierten
Ihrer Wahl. Jederzeit kündbar.«
»Ach nee!«
Sonst sagt
sie nichts. Irritiert hake ich nach. »Bitte? Haben Sie Interesse an dem Angebot?«
»Nee, hab
ich nich.«
»Darf ich
Ihnen stattdessen eine andere Zeitschrift anbieten?«
»Nee, dürfen
Se nich. Ich will Ihnen jetzt ma wat sagen: Sie können mich kreuzweise.«
»Ääh … Frau
Grätz, interessieren Sie sich vielleicht für ein ganz anderes Produkt?«
»Nee, tu
ich nich, und es kotzt mich echt an, dass Sie mich einfach so anrufen, noch dazu
in der Mittagsstunde …« Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Tatsächlich, kurz nach
eins. Frau Grätz legt indessen noch einen Zahn zu, sowohl lautstärkemäßig als auch
in Sachen Höflichkeit. »Und wenn ihr nich in der Mittagsstunde nervt, wo alle normalen
Frauen kochen oder essen, dann ruft ihr an, wenn man das Abendessen für die Familie
macht.«
»Entschuldigen
Sie bitte, Frau Grätz. Aber interessieren Sie sich für eines unserer Produkte? Wir
können Ihnen zu günstigen Konditionen hochwertige
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