Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
genug: Kurz, bevor ich den blankgewetzten
Absatz zur Gänze herausziehen kann, macht es laut vernehmlich Krack.
(Wie gut,
dass ich mit einer Tastatur schreibe, da kann wenigstens das Papier nicht aufweichen.)
Ich ziehe
mir die Manolos von den Füßen und humple zu meinem Twingo. Das Knöllchen wegen überschrittener
Parkdauer kann ich nicht entziffern, und es kostet mich eine geschlagene Stunde,
mich so weit zu beruhigen, dass ich das Auto starten kann. Ohne Rücksicht auf meinen
Kontostand halte ich an der edelsten Pralinenboutique an, kaufe mir die größte und
teuerste Packung meiner Lieblingstrüffelpralinés und bezahle mit der Karte. Wenn
schon scheitern, dann grandios!
Zumindest
eines hat mich dieser Tag gelehrt:
Zwei Seelen
wohnen, ach! in meiner Brust.
Kat hat
recht, ich bin ein Zwilling.
Und das
ist scheiße!
»Wie hat der Kerl dich genannt?«
»Verfluchtes
Stück Scheiße …«
Ich höre
trotz des Deutschlandfunks, der durch das Telefon zu mir dröhnt, wie Kat empört
schnaubt. Zu dem klassischen Musikstück, das gerade gespielt wird, kann ich ihre
sich steigernde Wut regelrecht spüren.
»Dieser
Wichser! Der gehört doch geköpft!«
Ach, wie
gut tut es, eine Emanze zur Schwester zu haben. Sie lässt all das einfach heraus,
was ich in meiner einen Seele spüre, jedoch nicht auslebe, weil mich meine zweite
Seele davor zurückhält.
»Diese verdammten
Dreibeiner! Nur weil er notgeil ist, meint er, er kann so mit dir umspringen. Ach,
wie ich sie alle hasse, diese Kerle!«
Im Hintergrund
macht sich Susa bemerkbar. Ich verstehe nicht, was sie sagt, aber Kat antwortet
ihr: »So ein Sackgesicht hat meine Schwester angemacht. Die fühlen sich doch nur
so stark, weil man sie am Telefon nicht sehen kann. Ich sag dir eins«, damit meint
sie jetzt mich, »wenn ich diesem Typen begegne, dann kann er sich warm anziehen.«
»Na ja,
Kat, vielleicht ist das alles gar nicht so schlimm. Man kann sie ja nicht gleich
kastrieren. Bestimmt ist Rupert Kunze im wahren Leben ein ganz braver, angepasster
Mensch.«
»Ja, ja,
wahrscheinlich steht er unter dem Pantoffel seiner Frau und kriegt den Schwanz nicht
hoch.« Sie schnalzt empört mit der Zunge. »Genau wie dieser … Wie hieß er doch gleich?«
»Wen meinst
du?«
»Na, der
andere Kunde aus dem Saarland, der dich als Schwein beschimpft hat; ist schon eine
Weile her.«
Ich wollte
mich eigentlich nicht mehr an Harko Schaaf erinnern … Vor knapp zwei Wochen hat
der Dürrbier mir schon einmal die Horrorliste der Saarländer aufs Auge gedrückt,
und besagter Schaaf wurde so ausfallend, dass ich beinahe einen Heulkrampf erlitt.
Damals passierte
auch eine Katastrophe. Meine Hände zitterten so, dass der Vanilla-Latte, den eine
Kollegin anlässlich ihres Geburtstages spendiert hatte, mir entglitt und auf meinen
einzigen verbliebenen Markenjeans landete, die ich für einen der selten gewordenen
Discobesuche an diesem Abend trug. Der Schaaf hatte mich als ›dumm wie ein schwarzes
Schwein‹ bezeichnet. Heute kann ich darüber lachen, aber der Tag hatte schon damit
begonnen, dass mir mein Vater wegen meiner verdorbenen Lebensplanung die Ohren vollgejammert
hatte. Die Bezeichnung als Schwein durch Schaaf fiel deshalb auf fruchtbaren Boden.
Wie auch immer – mit Kat über diese Kunden zu sprechen, tut mir gut, und das ist
wohl auch der Grund, weshalb ich sie nach dem Leeren der Magnumpackung Trüffelpralinés
und nach dem Genuss einer Viertel Flasche Wodka mit Pflaumensaft angerufen habe.
»Hihi, du
meinst Harko Schaaf. Den Namen werde ich nie vergessen. Ich hoffe nur, dass ich
nicht so bald wieder mit ihm zu tun habe. Der belästigt mich wenigstens nicht sexuell,
aber die Bezeichnung als schwarzes Schwein war noch harmlos. Er hat mich schon mit
fast allen Tierarten unseres Planeten verglichen.«
»Genau,
das meine ich ja. Dürfen die das ungestraft? Das sind doch Beleidigungen. Habt ihr
da keine Handhabe?«
Wie oft
haben wir darüber schon gesprochen? Vermutlich hätten wir eine Handhabe, schließlich
haben auch Telefonistinnen so etwas wie Menschenwürde, die ja bekanntlich unantastbar
ist. Aber der Dürrbier – und mit ihm viele andere Arbeitgeber, fürchte ich – sieht
das ein bisschen anders. Auf unsere Bitte, bestimmte Kunden doch von der Liste zu
streichen oder gerichtlich gegen sie vorzugehen, lacht er regelmäßig sein trockenes,
abgehacktes Zigarillo-Lachen. Wir sollten uns mal nicht so anstellen, man könnte
schließlich nicht für jeden Pups vor
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