Beichte eines Verfuehrers
Ich wünsche dir einen schönen Abend.“
Einen Moment sah es so aus, als wollte er noch etwas sagen. Dann grinste er einfach. „Werde ich bestimmt haben. Heute ist offene Bühne im Blue Swan.“
Ich lachte. Meine Stimme klang seltsam hohl. „Und was wirst du vortragen?“
„Ich? Lieber nichts. Ich gehe nur hin, um Mike und Scott moralischen Beistand zu leisten. Sie wollen ein Duett singen.“
Neid griff plötzlich nach mir wie ein wildes Tier, das mich im Nacken packte und schüttelte. Ich wollte auch mit meinen Freunden ausgehen und einfach einen schönen Abend haben. Ich wollte so gerne …
„Dann wünsch ich euch einen schönen Abend“, sagte ich.
„Werde ich haben. Bis Montag.“ Dennis nickte noch einmal, dann lief er die Treppe hinab. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Dann hörte ich die Haustür hinter ihm zuschlagen, bevor ich selbst die Treppe hinabstieg.
Ich nahm mir Zeit, aß einen Teller Suppe und trank danach noch einen Becher Tee. Anschließend wusch ich Teller und Becher mit der Hand, statt sie in die Spülmaschine zu stellen. Ich fütterte die Fische und stellte den Timer der Kaffeemaschine für den nächsten Morgen ein. Gewissenhaft überprüfte ich sowohl im Keller als auch im Erdgeschoss, ob alle Türen abgeschlossen waren.
Als ich schließlich wieder nach oben ging, war es spät genug, dass ich mich fragte, ob ich nicht auch schon ins Bett gehen sollte. In wenigen Stunden musste ich wieder aufstehen und mich um Adam kümmern. Ich würde es bereuen, wenn ich jetzt nicht ins Bett ging. Aber obwohl mir jeder einzelne Muskel im Körper wehtat, würde ich bestimmt keine Ruhe finden. In meinem Kopf herrschte noch immer Aufruhr.
Ich spähte in Adams Zimmer. Er hatte das Licht gelöscht, und ich konnte seinen leisen, regelmäßigen Atem hören. Das schwache grüne Notfalllicht gab seinem Gesicht etwas Fremdes, Unbekanntes. Ich musste kein Licht machen, um zu sehen, was ich tat. Adam wachte kaum auf, während ich ihn umdrehte. Wir sprachen kein Wort. Das taten wir nie – als könnten wir es damit einfacher machen für uns, als wäre es für ihn nur ein Traum. Nachdem ich fertig war, kontrollierte ich noch einmal, ob alles in Ordnung war, bevor ich leise hinausschlich.
Wir teilten das Schlafzimmer nicht mehr, nur an den Wochenenden. Wenn Dennis frei hatte, schlief ich bei Adam. Das Schlafzimmer, das wir einst geteilt hatten, war bis in den letzten Winkel mit dem medizinischen Equipment und Hilfsmitteln vollgestopft, die Adam brauchte. Nach unserer Hochzeit hatte ich den Raum in ein kuscheliges Nest verwandelt, während im Rest des Hauses noch jener chaotische Mischmasch aus Siebzigerjahre-Dekor und kleineren Renovierungen aus den Achtzigern bestand, die es auch nicht besser machten. Ich hatte unser Schlafzimmer geliebt und es liebevoll mit Möbeln im Art-Déco-Stil eingerichtet, die wir nach und nach auf Auktionen und in Antiquariaten zusammenkauften. Ebenso hatte ich unser Badezimmer geliebt. In der Mitte hatte eine riesige Badewanne mit Löwenfüßen gestanden und über der Toilette hing eine altmodische vergoldete Abzugskette. Später ließen wir das Badezimmer vollständig entkernen, um Platz zu machen für eine behindertengerechte Toilette und eine Dusche, die man auch in einem Rollstuhl benutzen konnte. Das Badezimmer hatte seinen altmodisch-luxuriösen Charakter verloren und war nur noch funktional.
Auf der anderen Seite des Flurs befanden sich meine Räume. Sie waren kleiner als das große Schlafzimmer, aber ich hatte zwischen den beiden Räumen einen Durchbruch machen lassen, der in einen offenen Bogen umgemauert worden war. So hatte ich auf der einen Seite einen Raum, in dem ich entspannen oder arbeiten konnte und einen weiteren, der auch in das zweite Badezimmer führte. Ich musste mich nur einschränken, wenn wir Besuch hatten, denn Dennis hatte sein eigenes Badezimmer oben im zweiten Stock.
Ich überprüfte, ob die Sprechanlage funktionierte, falls Adam aufwachte und nach mir rief. Ich warf keinen Blick in den Spiegel, während ich meine Kleidung auszog. Die Frau, die mich im Spiegel angesehen hätte, wäre mir sowieso fremd vorgekommen.
Ich ließ mir ein Bad ein und fügte einen Badezusatz mit Lavendel hinzu. Danach dimmte ich das Licht. Ich ließ mich in das heiße Wasser gleiten, das mich sanft umhüllte. Es hielt mich fest, wiegte mich und ich ließ mich tiefer in die Wanne gleiten, bis mir das Wasser ans Kinn reichte. Mein Haar breitete sich im Wasser aus wie ein Fächer
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