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Beichte eines Verfuehrers

Beichte eines Verfuehrers

Titel: Beichte eines Verfuehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hart Megan
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Ohren falsch und ich verstummte. Ich knüllte meinen Abfall zusammen. Schon wieder war unsere Mittagspause vorbei, und ich fühlte, wie Enttäuschung in mir aufstieg.
    „Sie sind wie Haie, sie umkreisen mich. Hübscher Kerl, toller Job, tolles Auto. Das ist alles, was sie über mich wissen.“ Auch wenn er es leichthin sagte, spürte ich, wie ernst es ihm damit war.
    „Es liegt vielleicht daran, dass du ihnen nicht mehr von dir zeigst.“
    „Nein, es liegt eher daran, dass sie nur das sehen wollen.“
    Ich stand auf, warf den Abfall in den Mülleimer und wischte mir ein paar Krümel von den Händen. „Vielleicht wäre so ein Drahtkäfig für Haibeobachtungen die richtige Lösung. Oder du darfst nicht zu viele Köder auswerfen.“
    Joe lächelte. „Aber worüber sollten wir dann beim Mittagessen reden?“
    Ich wusste keine Antwort, aber er schien auch keine zu erwarten. „Also, was war das für ein Gerücht über dich und Mindy Heverling?“, versuchte ich, ihn abzulenken.
    Joe stieß mit der Schuhspitze einen Kiesel fort. „Mindy war die Freundin meines Bruders.“
    Es steckte mehr dahinter und mir schien es falsch, ihn zu bedrängen. Trotzdem fragte ich: „Und?“
    Er fuhr sich mit einer Hand durch das blonde Haar und rutschte unruhig auf der Bank herum. Das alles gehörte dazu; ich hatte ihn oft genug dabei beobachtet, wenn ich zu viel wissen wollte. Meistens lenkte er mich schnell mit einem anderen Thema ab. Das hier waren nicht der richtige Ort und die richtige Zeit, um ihn zu analysieren. Ich war nicht in meiner Praxis, sondern saß mit einem Freund in der Sonne.
    „Du brauchst es mir nicht erzählen“, sagte ich.
    „Eddie war ein Jahr jünger als ich. Er war der Klügere, wenn ich das so sagen darf.“ Joe lachte.
    „Und du warst der Hübschere?“
    Was ich an Joe besonders mochte war, dass er immer wusste, wann ich ihn mit etwas aufzog. „So ist es“, sagte er mit einem Grinsen.
    „Und was ist passiert?“ Ich konnte es mir schon fast denken.
    Joe lehnte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab, die Hände verschränkt. Der Kiesel vor seinen Füßen schien auf einmal unglaublich interessant.
    „Sie wurde schwanger.“
    „Oh?“ Diese Antwort hatte ich nicht erwartet.
    Er drehte mir sein Gesicht zu. „Ja, oh.“
    Ich brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was er meinte. „Oh, du meinst, du und Mindy …“
    Joe nickte. „Ja, genau.“
    „Und dann?“
    „Sie hatte eine Abtreibung. Ich musste mir das Geld dafür von meinem Vater leihen. Er sagte mir, was für ein verdammter Bastard ich wäre, und er hatte recht. Eddie hat davon nie etwas erfahren. Und dann wurde er krank. Leukämie … Wie auch immer. Er starb ein halbes Jahr später.“
    „Das tut mir leid.“
    „Es ist lange her.“
    „Joe“, sagte ich sanft. Ich wartete, bis er mich anblickte. „Es tut mir trotzdem leid.“
    Ich hätte gerne die Hand nach ihm ausgestreckt. Aber das machten wir nicht – wir berührten uns nie. Er nickte leicht und verstand.
    „Danke.“ Dann stand er auf. Er hatte seine Geschichte erzählt und unsere Zeit war vorbei. „Ach, fast hätte ich es vergessen.“
    Er zog ein kleines in Seidenpapier eingewickeltes Päckchen aus der Innentasche seines Jacketts und hielt es mir hin. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“
    Ich hatte schon die Hand danach ausgestreckt und wollte automatisch antworten, was man nun mal sagt, um sich für ein Geschenk zu bedanken. Doch bei seinen Worten zögerte ich. Das Päckchen glitt aus seiner Hand und ich war nicht schnell genug. Es kullerte zu Boden. Schnell bückte ich mich und hob es auf.
    „Du hättest mir doch nichts kaufen müssen.“ Ich wurde rot. „Ich hoffe, es ist nichts Zerbrechliches.“
    „Den Sturz sollte es überstanden haben. Mach es auf!“
    Es war eine kleine, von Hand gezogene Kerze in einem blassen Violett. Sie roch angenehm nach Lavendel.
    „Woher wusstest du …?“, fragte ich und drehte die Kerze in der Hand, ehe ich sie hochhob und an ihr schnupperte.
    „Du hast es mir erzählt“, sagte Joe. Er klang erstaunt, als wäre meine Frage Unsinn. „Du hast gesagt, Lavendel ist dein Lieblingsduft.“
    „Das hab ich gesagt?“ Ich wickelte die Kerze wieder in das Seidenpapier. „Aber es stimmt. Ich liebe Lavendel.“
    Joe lächelte. „Ich dachte, du hättest es gesagt. Wie auch immer – herzlichen Glückwunsch, Sadie.“
    „Danke.“ Ich griff in meine Handtasche und zog das Geschenk hervor, das ich ihm eigentlich nicht

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