Beichte eines Verfuehrers
hatte geben wollen. Es war der neue Thriller eines Bestseller-Autors. „Überraschung! Ich hoffe, du hast es noch nicht.“
Nein, er hatte es noch nicht. Ich merkte es daran, wie er mich anstrahlte, nachdem er es ausgepackt hatte. Ich musste wegschauen.
Joe ging ein paar Schritte rückwärts, ehe er sich umwandte und fortging. Ich starrte hinter ihm her und sog den zarten Duft von Lavendel ein, der mich umgab.
Man kann viel über herausragende Persönlichkeiten sagen. Neben ihnen verblassen jene, die mit ihnen zusammenleben, ob es nun die Partnerin, die Kinder oder Assistenten sind … Wenn man überhaupt an uns denkt, dann nur, weil wir doch das große Glück haben, uns im Glanz jener Genies zu sonnen, in deren Schatten wir stehen.
In den ersten Jahren genoss ich es, mich in Adams Glanz zu sonnen. Auf den Partys war ich stolz, wenn ich sagen konnte, dass ich die Frau von Adam Danning war. Man fragte mich oft, ob ich auch schreiben würde.
„Nein“, sagte Adam dann stolz. „Meine Sadie ist Ärztin.“
Nie war jemand überrascht, wenn sich herausstellte, dass ich kein literarisches Genie war. Aber ich genoss es, in ihren Augen dieses neugierige Glitzern zu sehen, wenn sie sich insgeheim fragten, ob ich es nicht doch war. Ich hatte mir nie gewünscht, so kreativ und genial wie Adam zu sein – und ich hatte ihn ebenso wenig darum beneidet. In unserem Haus – in unserem Leben – war kein Platz für einen zweiten Adam. Schon so kämpften wir unseren eigenen Kampf.
Sylvia Plath tötete sich durch Gas. Ernest Hemingway erschoss sich. Auch Richard Brautigan wurde es müde, Forellen zu fangen und erschoss sich ebenfalls.
Ist es der Wahnsinn, der Kreativität hervorbringt? Oder führt die Kreativität früher oder später in den Wahnsinn? Kann ein Künstler Künstler sein, ohne das ständige Hin und Her zwischen den Extremen? Ich fühlte, dass ich die Antwort wissen sollte. Ich sollte meinen genialen, talentierten Mann verstehen. Aber ich verstand ihn nicht.
Seine Stimmungsschwankungen verwirrten mich. Wenn ich arbeiten musste, setzte ich mich an meinen Schreibtisch. Ich las, studierte und verfolgte ohne Unterlass meine Ziele, alles war so geordnet, dass ich eine Liste abhaken konnte. Eines nach dem anderen.
Adam aber verschwand für Stunden in seinem Büro und tauchte erst viel später mit verquollenen Augen wieder auf. Er fluchte und jammerte, weil er meinte, er könne nicht schreiben. Manchmal weinte er und warf mit Geschirr um sich. Eine Stunde später schon konnte er sich über eine Comedy-Sendung im Fernsehen schier kaputtlachen. Mein Unvermögen, zu verstehen, warum er das jetzt brauchte, machte ihn unglaublich wütend.
Wir gerieten aneinander, kämpften gegeneinander. Manchmal liebten wir uns in diesen Zeiten und es war so gigantisch, dass wir danach beide weinten.
Ich kannte ihn wie mich selbst, aber ich verstand ihn nicht.
Also musste ich lernen, seine Stimmungen hinzunehmen. Wenn er arbeitete, ließ ich ihn allein, sobald ich spürte, wie sich bei ihm etwas zusammenbraute. Wenn seine Gedichte veröffentlicht worden waren, las ich sie – und mit zunehmendem Erfolg wurden sie alle veröffentlicht. Ich begleitete ihn zu den Partys, wo die Schmeichler und Speichellecker ihm Champagner und Kaviar servierten. In den Räumen hingen überall Plakate mit seinem offiziellen Autorenfoto und dem Cover seines neuesten Buchs.
Ich liebte Adam. Adam liebte mich. Unser Leben war ein ständiges Auf und Ab – aber wir hatten uns, und es funktionierte. Ich studierte, während er schrieb. Er zog mich an wie ein Magnet, aber ich war für ihn nicht der Anker – denn für Adam gab es keinen sicheren Hafen. Ich war stattdessen sein Ballast, etwas, das ihn daran hinderte, zu tief zu fallen oder zu hoch zu steigen.
Seine erste Lesereise brachte ihn nicht zu Oprah Winfrey oder in die Tonight Show. Sein Verleger verschaffte ihm ein paar Auftritte in Universitäten oder bei Buchhändlern. Dort tauchte er dann in seiner alten Lederjacke und mit dem goldenen Ohrring auf und las vor hingerissenen Hausfrauen und interessierten Englischstudenten aus seinen Gedichten vor. Er war für den Pennsylvania Literaturpreis im Gespräch – ein zartes Gerücht, das sein Verleger ein bisschen zu hoffnungsvoll aufgebauscht hatte, aber Adam beflügelte diese Aussicht für die nächsten Wochen.
Dann prallte er gegen einen Baum und wachte in einem Krankenhausbett auf. Und alles war vorbei. Wenn er seitdem je wieder etwas geschrieben hatte,
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