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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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blauem Zwiebelschalenmuster und Süßgebäck.
    »Was deiner Mutter gehört hat und was nicht«, sagte sie, »das weiß ich doch nicht.« Sie verteilte Kaffeelöffel und Zuckerzange, dann wandte sie sich direkt an Berndorf. »Meine Schwiegermutter und ich, wir mochten uns nicht sehr.«
    »Aber Marga!«, sagte ihr Mann.
    »Doch«, beharrte sie. »Das ging schon damit los, dass ich nicht Gaspard heißen wollte.« Wieder wandte sie sich an Berndorf. »Oder würden Sie wollen, dass Ihre Kinder in der Schule ›Kasper!‹ gerufen werden?«
    Er habe leider keine Kinder, sagte Berndorf. Die Mundwinkel der Gastgeberin zuckten, ein wenig mitleidig, wie es schien.
    Berndorf holte aus seiner Mappe die Abzüge der Fotografien heraus, die er von Fiona Morny und dem Schmuck besaß, und zeigte sie dem Ehepaar.
    Margarethe Freundschuh gab den Abzug mit dem Ausschnitt, der den Ring zeigte, sofort an ihren Mann weiter, behielt aber das Foto, das Fiona Morny zeigte, noch einen Augenblick in der Hand.
    »Armes Ding«, sagte sie. »Jetzt, wo man weiß, was passiert ist - jetzt sieht man plötzlich, dass es nicht gut gehen konnte.« Sie sah zu Berndorf auf. »Ich war ja gleich dagegen, dass wir an die beiden vermieten. Es ist ja ein großes Haus, was wir da geerbt haben, da gehört jemand mit Kindern hinein!« Sie deutete mit dem Kopf auf ihren Mann. »Aber der wollte nicht... Wissen Sie, wenn ihm jemand schöne Augen macht, dann lässt er sich
um den Finger wickeln. Das kommt davon, wenn die Mutter zu streng ist. Und lieblos.«
    Wolfgang Freundschuh sagte nichts. Er betrachtete noch immer die Vergrößerung, die den Ring zeigte.
    »Was hast du?«, fragte seine Frau.
    »Nichts.« Er schüttelte den Kopf. Dann zeigte er auf die Vergrößerung. »Das da - es ist wahr, meine Mutter hat so etwas besessen... ich muss sieben oder acht gewesen sein und wollte ein eigenes Kasperltheater bauen. Die Mutter hat mir ein paar Stoffreste dazu gegeben, aber für den Vorhang brauchte ich Ringe, und ich wusste, dass sie eine Blechschachtel hatte, da waren solche Sachen drin. Also hab ich mir die Schachtel geholt, und da waren auch tatsächlich Gardinenringe drin, und darunter alte Geldscheine, die nicht mehr gültig waren, und unter den Scheinen war eine Kette mit einem Ring... Es war ein breiter Ring, so wie hier auf dem Foto, mit diesen zwei Menschen. Damals wusste ich nicht, dass damit der Sündenfall dargestellt wird, aber ich glaube, es ist mir aufgefallen, dass diese beiden Menschen nichts angezogen hatten...«
    »Natürlich ist dir das sofort aufgefallen«, bemerkte seine Frau.
    »Wie ging es weiter?«, fragte Berndorf.
    »Meine Mutter kam hinzu, und plötzlich war sie wie von Sinnen... Ich glaube, sie hatte nichts anderes zur Hand, so hat sie einen Kleiderbügel genommen und auf mich eingeschlagen, ich hab mich auf dem Boden zusammengerollt und mit den Armen den Kopf geschützt, aber sie hat weitergeschlagen...«
    »Das hast du mir nie erzählt«, sagte seine Frau.
    »Es ist auch nicht schön zu erzählen«, antwortete er. »Irgendwann hat sie aufgehört und mich in mein Zimmer geschickt.« Er zuckte mit den Achseln. »Das Kasperltheater ist jedenfalls nie fertig geworden.«
    »Was hat Ihr Vater zu dieser Geschichte gesagt?«
    »Mein Vater?« Freundschuh blickte auf. »Nichts. Meine Mutter wird ihm nichts davon gesagt haben. Gott sei Dank nicht.«
    »Hätte er Sie sonst auch geschlagen?«

    Freundschuh schüttelte den Kopf. »Das brauchte der nicht. Mein Vater hatte andere Methoden.«
    »Sie müssen einen netten Eindruck von unserer Familie bekommen«, meinte seine Frau und stand auf, den Kaffee zu holen.
    Von den Erziehungs- und Bestrafungsritualen des Otto Gaspard wollte Berndorf lieber nichts wissen. »Hat Ihre Mutter den Schmuck jemals angelegt?«, fragte er.
    »Nein.« Die Antwort kam prompt. »Ich kann mich nicht erinnern, dass sie je irgendeinen Schmuck getragen hätte. Und den schon gleich gar nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Warum, weiß ich nicht. Aber sie hätte ihn nicht getragen.«
    »Das klingt nicht so, als ob der Schmuck ein Geschenk Ihres Vaters gewesen wäre.«
    »Kaum«, meinte Freundschuh. »Mein Vater war ein sehr sparsamer Mensch. Zu Weihnachten hat er meiner Mutter immer ein Flakon Eau de Cologne geschenkt, ein sehr kleines übrigens. Und dieser Schmuck...« Er beugte sich noch einmal über die Vergrößerung. »Das ist ja gar kein richtiger Schmuck, die Kette ist eher kunstlos gemacht und nur dazu da, den Ring zu halten …

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