Beifang
Es lag keine aktuelle Nachricht
vor, und die Speicher für eingegangene und gesendete Mitteilungen waren leer, er verzog das Gesicht. Aber das war nicht anders zu erwarten gewesen. Falls dort Verfängliches gespeichert gewesen sein sollte, würde der Pudelmann es abgeschrieben und dann gelöscht haben: Alles würde er auf keinen Fall aus der Hand geben. Auch die Anrufliste wies nur noch eine einzige Nummer auf, und die kam ihm merkwürdig bekannt vor: Es war seine eigene.
Mit einem Anflug von Resignation rief Kuttler das Namensverzeichnis auf, das aber zu seiner Überraschung doch eine Reihe von Eintragungen enthielt, an Stelle der Namen aber meist nur Abkürzungen. So fand Kuttler unter »fk« zwei Eintragungen, eine Mobilfunk- und eine Festnetznummer, Letztere aus dem »o76«-Bereich, aus Südbaden also. Unter »lu« war eine Stuttgarter Nummer eingetragen, offenbar die Durchwahl zum Anschluss des Herrn Luschner bei den Neckarwerken. Bei einigen anderen Eintragungen waren Vornamen ausgeschrieben, ein »Fayed« zum Beispiel, dessen Anschluss unter einer sehr exotisch anmutenden Vorwahl zu erreichen war. Ähnliches galt für einen »Igor«, während für einen »Egbert« ein Anschluss mit der Vorwahl 05341 angegeben war, das war nun wieder merkwürdig provinziell... Großraum Hannover? Wer hatte von dort warum mit Fiona zu tun gehabt?
Kuttler nahm sein privates Handy und gab auf Verdacht Egberts Nummer ein, die Verbindung kam zustande, aber es hob niemand ab. Kuttler wollte schon auflegen, aber dann wurde der Anruf automatisch weitergeleitet, und es meldete sich eine Stimme:
»Bundesamt für Strahlenschutz.«
»Danke«, sagte Kuttler, legte auf und fuhr sich über die Stirn. Neckarwerke, dachte er, das klingt doch niedlich. Vielleicht nicht mehr nach Mühlrad, aber doch nach Stauwehr und Turbine und heimatlichem Strom, blaue Wellen am Fuß der Weinberge, und wenn am Ufer ein romanisches Kirchlein ein neues Dach braucht oder das Altarbild renoviert werden muss: die Neckarwerke lassen sich gerne um einen Zuschuss bitten. Das
eben ist Heimat. Aber der Strom - wo kam der Strom her? Anders gefragt: Wie viele Atommeiler liefen unter der Regie der Neckarwerke? Drei oder vier? Mindestens… Und über allen wacht wer?
Er würde einen Hunderter wetten, dass es Egbert war, der da wachte. Egbert vom Bundesamt für Strahlenschutz. Hatte der Pudelmann auch ihn abkassiert? Da wäre es lohnender gewesen, sich direkt an die Neckarwerke zu halten. Hatte Rauth das getan?
Nein, entschied Kuttler. Er hat die Tragweite nicht erkannt, oder die Neckarwerke waren ihm eine Nummer zu groß.
Und du? Dir sind sie keine Nummer zu groß? Kuttler schüttelte den Kopf. Später! Er ging die Liste der Eintragungen vollends durch. Ach ja! Fast am Ende des alphabetischen Registers war »ved« eingetragen, es überraschte ihn nicht weiter, er hatte es sogar erwartet, natürlich war unter »ved« eine Ulmer Nummer eingetragen, er erkannte sie auch sofort, es war eine Nummer der Ulmer Justizbehörden...
Kuttler griff sich das Behördenverzeichnis und fand, was unter »ved« nicht anders eingetragen sein konnte: die Nummer des Vorsitzenden Richters Michael Veesendonk.
Der Bauernhof mit dem ausladenden, Scheune, Stall und Wohngebäude überdeckenden braunroten Dach lag etwas von der Straße zurückgesetzt. Vor dem offenen Scheunentor stand ein Trecker, und die Haustür war flankiert von hölzernen Gnomen, aus Wurzelstöcken geschnitzt und bemalt, die ihre blutunterlaufenen Augen rollten und die Zähne fletschten, vielleicht sollten es Schutzgeister sein. Zwischen ihnen, auf der Schwelle der Haustüre, saß eine schwarzweiß gefleckte Katze und putzte sich, ein Hinterbein weit ausgestreckt. Als der Daimler auf den Hof einbog, hielt sie inne und starrte einen Augenblick wachsam und fluchtbereit auf das Auto, entschied dann aber, dass davon keine Gefahr ausgehe.
»Hier bin ich aufgewachsen«, sagte Walleter. »Sie werden es
nicht glauben, aber ich war’s Nesthäkchen.« Er stellte den Motor ab und wuchtete sich aus dem Fahrersitz. Auch Berndorf stieg aus. Die Haustür öffnete sich, eine kräftige Frau in Jeans und Gummistiefeln erschien in der Türe, und die Katze - den aufgeplusterten Schwanz hochgereckt - drückte sich an die Gummistiefel.
»Tag, Wendel«, sagte die Frau und streifte Berndorf mit einem prüfenden Blick. »Willst du zum Ähne? Der ist in seiner Werkstatt.«
Walleter stellte Berndorf vor - ohne weiter zu erklären, wer
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