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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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hätte es mir denken können. Sie sind wegen Eisholm gekommen.«
    Berndorf schwieg, wartete.
    »In der Zeitung hab ich nur gelesen«, fuhr Vren nach einer kurzen Pause fort, »dass er vor einen Zug gefallen ist. Das las sich so, als hätte er sich umgebracht.«
    »Haben Sie das geglaubt?«
    »Aber sofort.«
    »Warum?«
    »Weil er ein kaputter Typ war. Schon damals.«

    »War es seinetwegen, dass Sie allein zurückgefahren sind?«
    »Wegen dem? Ganz gewiss nicht.« Ihre Stimme klang gleichgültig. »Aber sagen Sie - wird das hier jetzt ein Verhör? Und warum fragen Sie mich nicht gleich, ob vielleicht ich es war, der diesen Menschen vor den Zug gestoßen hat?«
    »Hätten Sie es denn tun können?«
    »Dreißig Jahre danach?« Sie schüttelte den Kopf. »Er wäre die Aufregung nicht wert gewesen. Außerdem...« Sie brach ab und sah an ihm vorbei, irgendwohin, nach draußen, von ihm weg.
    »Außerdem?«, hakte Berndorf nach.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag.« Sie warf ihm ein flüchtiges kühles Lächeln zu. »Sie erklären mir, wer Ihnen von dieser verfluchten Reise erzählt hat und was Sie warum von mir wissen wollen. Und danach werde ich Ihnen antworten, soweit ich dazu lustig bin. Einverstanden?«
    Berndorf schwieg. Soweit sie dazu lustig ist... Verdruss stieg in ihm hoch, und doch nickte er gehorsam, ergeben. »Ich habe - oder genauer: ich hatte einen Auftrag von Eisholm, in einem Mordfall zusätzliche Ermittlungen anzustellen. Dieser Mordfall, bei dem Eisholm die Verteidigung übernommen hatte, wird gerade vor dem Ulmer Landgericht verhandelt, aber was Eisholm im Einzelnen geklärt haben wollte, weiß ich nicht, denn er war schon tot, als ich in Ulm ankam.« Er blickte sie an, sie schien zu warten, als wisse sie, dass der entscheidende Punkt noch nicht angesprochen war. »Der Vorsitzende Richter in dem Ulmer Verfahren ist Veesendonk, Michael Veesendonk.« Er sah, dass ein Schatten von Unmut oder Zorn über ihr Gesicht zog.
    »Mischa also«, sagte sie widerstrebend. »Verstehe ich richtig - Eisholm ist umgebracht worden, und zu mir sind Sie gekommen, weil Sie nach einem Motiv dafür suchen? Nach einem Motiv, das also nur Mischa gehabt haben kann?«
    Berndorf hob die Hand und bewegte sie, als ob er ein Für und Wider abwägen wolle. »Veesendonk ist einer der Letzten, mit denen Eisholm vor seinem Tod noch gesprochen hat. Aber er steht nicht unter Verdacht. Er war in seinem Büro, als Eisholm vor den Zug gefallen ist oder gestoßen wurde...«

    Er schwieg. War das alles wirklich so sicher?
    »Und trotzdem haben Sie ihn im Verdacht«, stellte Vren fest. »Sonst wären Sie nicht hier. Wieso glauben Sie eigentlich, dass ich Ihnen irgendetwas über Mischa erzählen würde? Außerdem haben Sie mir immer noch nicht gesagt, woher Sie von dieser Reise im Campingbus wissen.«
    »Nach Eisholms Tod habe ich seine Witwe besucht, Gabriele Querheim.« Er machte eine kurze Pause. »Sie hat mir von dieser Reise erzählt, von ihrer Fischvergiftung vor allem und davon, dass Sie und Eisholm einen ganzen Tag unterwegs waren, um ein Medikament zu besorgen. Nach Ihrer Rückkehr hätten Sie die Gruppe sofort verlassen und seien nach Deutschland zurückgetrampt. Veesendonk schildert es ähnlich …«
    »Haben Sie ihn verhört?«
    »Nein. Wir haben eine Partie Schach gespielt, ich habe verloren, und dann habe ich nach Ihnen gefragt.«
    »Ich sehe, Sie sind vielseitig«, bemerkte Vren. »In der Buchhandlung erkundigen Sie sich nach Gedichten, und mit dem Schachspieler spielen Sie Schach. Wie befragen Sie einen Stra ßenkehrer?«
    »Auf dem Bauhof oder in seiner Kneipe.«
    »Nett.« Sie betrachtete ihn kühl. »Und was hat Michael über mich zu sagen gewusst, bevor er den nächsten Zug gemacht hat?« Offenbar hatte sie beschlossen, Veesendonk nicht mehr »Mischa« zu nennen.
    »Er meinte, Sie seien seine große Liebe gewesen und er der Esel, der alles verdorben hat. So ungefähr.« Berndorf schnitt eine Grimasse. Von der großen Liebe anderer Leute zu reden, war fast so bescheuert, als hätte er gesagt, die oder jene ist eine große Dichterin.
    »Genauer erinnern Sie sich nicht?«
    »Es muss ihn sehr getroffen haben, dass Sie gegangen sind.« Das war ein bisschen schwach ausgedrückt, dachte er. »Dass er Sie verloren hat.«
    »Ach!«, sagte sie, und es klang ärgerlich. »Dieser Mordprozess, für den Eisholm Sie engagiert hat: Ist das der Fall dieser jungen
Frau, die erschlagen wurde? Und deren letzter Liebhaber jetzt plötzlich

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