Beifang
gemeinsame Urlaub sicher gut, sagte er, denn Eisholm sei ja nicht einfach...«
Plötzlich zuckte sie mit den Schultern und schwieg, als sei schon alles gesagt.
»Und so sind Sie also zu viert losgefahren«, warf Berndorf ein. »Wie hat sich die Gruppe organisiert? Wie waren die Aufgaben verteilt? Wer saß am Steuer?«
»Am Steuer dieses abscheulich qualmenden, rostigen und ständig Öl verlierenden Campingbusses wechselten Michael und ich uns ab, denn Eisholm besaß keinen Führerschein, und Gabriele konnte angeblich keinen Bus fahren, weil sie ihren Führerschein in einem VW-Käfer gemacht hatte, verstehen Sie? Am Anfang dachte ich, dass wir überhaupt nur deshalb eingeladen worden waren, wegen des Fahrens und dann auch, weil irgendjemand sich ums Kochen kümmern musste. Das war dann ich.«
»Sie waren also die Dienstboten?«
Vren wiegte den Kopf. »So kam ich mir am Anfang auch vor, doch. Und eine Weile habe ich gedacht, der blöde Sack hat es auf mich abgesehen. Aber so einfach ist - oder war - Eisholm nicht gestrickt. Später hab ich begriffen, es war ihm einfach langweilig. Die Pyrenäen sind hoch, und oben ist es kalt und neblig, in der Provence riecht es nach Thymian, und es hat schöne römische Ruinen, das guckt man an, und dann? Dann hat man’s gesehen. Viel spannender ist es doch, die Puppen zum Tanzen zu bringen. Zum Beispiel den Michael Veesendonk, der so in sich ruht und so genau weiß, wie die Zukunft aussieht und welche Rolle er spielen wird: Da muss man doch einfach ein bisschen kratzen und pieksen, finden Sie nicht? Mal gucken, was zum Vorschein kommt, wenn der alle Wohlerzogenheit fahren lässt …«
»Und was hat er mit Ihnen vorgehabt?«
»Vordergründig ging es um mich. Um die kleine unbedarfte Buchhändlerin, die nicht einmal Abitur hatte und deren Französisch absolut grauenvoll war und die sich mit ihren Urteilen zu politischen, literarischen oder philosophischen Fragen bitte zurückhalten sollte, da es eine Ahnungslosigkeit gebe, die schlechterdings zu absolutem Maulhalten verpflichte... So ungefähr ging das, und zwar jeden Tag.«
Die Bedienung kam und brachte das Essen - ein vegetarisches Tellergericht für Vren, eine Forelle für Berndorf.
»Bevorzugt waren Themen, die Eisholm ins Anzügliche drehen konnte«, fuhr Vren fort, als die Bedienung gegangen war. »Einmal, vor einer kleinen romanischen Kapelle, sahen wir einen Fries, der Adam und Eva zeigte, und danach wollte er von mir wissen, warum eigentlich Eva dem Adam den Apfel reiche und nicht umgekehrt und was dieser Umstand über die sexuelle Interessenlage der beiden Geschlechter aussage. Genau erinnere ich mich natürlich nicht, aber irgendein solcher Dreck war es.«
»Und was haben Sie geantwortet?«, fragte Berndorf, während er dabei war, die Forelle zu entgräten.
»Das weiß ich nun wirklich nicht mehr«, kam es prompt. »Vermutlich
werde ich ihm erklärt haben, dass das Adam-und-Eva-Motiv nichts weiter sei als ein weiteres Beispiel für die notorische Sexual- und Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche, worauf er in Hohngelächter ausgebrochen sein und erklärt haben wird, für das Alte Testament sei die Katholische Kirche leider nicht zuständig …« Sie stocherte in ihrem Teller herum und nahm mit ihrer Gabel einiges Wurzelgemüse auf. »Ganz sicher habe dann wiederum ich ihm sofort um die Ohren gehauen«, fuhr sie kauend fort, »dass die Frauenfeindlichkeit allen monotheistischen Religionen eigen sei, weil sie nämlich samt und sonders die göttliche Urmutter verleugnen müssten, und so weiter.« Sie schluckte den Bissen hinunter und trank einen Schluck von dem gespritzten Rotwein. »Ein andermal kamen wir - ich weiß wirklich nicht mehr, wie - auf die Beauvoir und ihre Beziehung zu Sartre zu sprechen, und Eisholm behauptete, keine der deutschen Frauen von heute hätte sich auf so etwas eingelassen, weil sie samt und sonders nur an ihre Alterversorgung dächten und sonst an lange nichts. Ich hab zuerst gelacht, bin dann aber wütend geworden …«
»Warum wütend?«, fragte Berndorf und hob die säuberlich freigelegten Gräten auf den zweiten Teller, der dafür bereitgestellt war.
»Weil mir erstens Eisholm und zweitens der Personenkult um Sartre und Beauvoir auf die Nerven gingen... Im Ernst - ich würde gerne mal wissen, wie eigentlich die jungen Frauen, die zwischen den beiden großen Philosophen hin und her gereicht wurden, die freie Liebe so erlebt und empfunden haben … Ich glaube, das habe ich auch
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