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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ja?«
    »Er hat um Hilfe gerufen und nach der Polizei, und dass er erpresst wird und dass da der Erpresser steht«, wiederholte Vanessa Bollinger, und eine leise Röte ergoss sich über ihr Gesicht. »Wie ich schon gesagt habe...«
    »Und dann sind Sie vom Podium herunter und zu dem Tisch gelaufen, wo der Herr Landrat stand?«
    »Wie er so geschrien hat...« Sie brach ab. Sie hatte begriffen, dass ihr Chef nichts von einem schreienden Landrat hören wollte. »Als ich die Rufe gehört habe, hab ich mein Saxophon weggelegt und bin von der Bühne gesprungen und zu ihm hingelaufen. Da hat es aber schon ein Gedränge von Leuten gegeben, zwei Männer von der Freiwilligen Feuerwehr haben diesen Herrn Berndorf an den Armen festgehalten, und ich hab gedacht, jetzt gehen die anderen gleich auch noch auf ihn los...«
    »Und da haben Sie ihm also die Festnahme erklärt, damit die Situation nicht weiter eskaliert?«
    »Ja, doch«, antwortete Vanessa Bollinger zögernd, »und auch, weil der Herr Landrat ihn einen Erpresser genannt hat... Erpressung ist doch ein Verbrechen?«
    »Na schön«, meinte Kammhuber seufzend. »Das Dumme ist nur, unser Landrat will jetzt gar nichts mehr dazu sagen. Nicht, bevor er sich mit einem Anwalt beraten hat... dieser Berndorf« - plötzlich klang seine Stimme fast hoffnungsvoll - »hat er sich der Festnahme widersetzt?«
    »Nein, hat er nicht«, antwortete die Polizistin. »Er hat...«
    Sie schwieg, denn Kammhubers Telefon hatte angeschlagen.
Er betrachtete es zweifelnd, fast sorgenvoll. Schließlich nahm er ab.
    »Drautz«, meldete sich eine weibliche Stimme, »Dr. Elaine Drautz, Anwältin in München. Sie sind Leiter der Polizeidirektion Hotzenwald, ist das richtig?«
    Das sei richtig, murmelte Kammhuber. »Was kann ich...?«
    Die Stimme schnitt ihm das Wort ab. »Ich übernehme die anwaltliche Vertretung von Herrn Hans Berndorf, der von Ihnen widerrechtlich festgenommen worden ist...«
    »Moment«, wandte Kammhuber ein, aber die Anwältin ließ sich nicht bremsen.
    »Wollen Sie vielleicht behaupten, Sie hätten Berndorf nicht festgenommen?« Die Stimme gewann noch an Schärfe. »Ich weiß definitiv, dass er vor ziemlich genau einer Stunde in Ihre Direktion gebracht worden ist und seither dort festgehalten wird. Damit Sie die Dimension Ihrer Handlungsweise erkennen, sollten Sie wissen, dass Berndorf in meinem anwaltlichen Auftrag ermittelt, und zwar in einem Mordfall, dessen Aufklärung von der baden-württembergischen Polizei bisher systematisch verschleppt worden ist...«
    »Wie Sie meinen«, antwortete Kammhuber und wollte ein »aber« hinzufügen, doch die Anwältin ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Ich spreche von systematischer Verschleppung...!«
    Kammhuber nahm den Hörer von seinem Ohr und ließ den Redestrom ins Leere laufen. Dabei sah er seine Untergebene mit einem halb verlegenen und halb Einverständnis heischenden Blick an, als seien sie beide Verbündete. Als der Redestrom abebbte, nahm er den Hörer wieder auf, holte tief Atem und sprach laut und in einem Zuge, so dass ihn jetzt niemand würde unterbrechen können:
    »Gnädige Frau, die mir bekannten Umstände des Vorfalls zwingen mich, zuerst Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft zu nehmen, bevor ich Herrn Berndorf wieder auf freien Fuß setzen kann. Guten Tag auch...!« Dann legte er das Gespräch zurück auf die Zentrale und gab Anweisung, der Anruferin die
Nummer des Staatsanwaltes zu nennen, der an diesem Sonntag Bereitschaftsdienst hatte.
    »Uff«, sagte er schließlich, lehnte sich zurück und wischte sich den Schweiß ab, der ihm noch vom ersten Saunagang oder wegen des Gesprächs mit der Anwältin - vielleicht auch wegen beidem - von der Stirn lief.
    »Hätt ich den jetzt nicht festnehmen sollen?«, fragte Vanessa Bollinger, und ihre Stimme klang deutlich weniger selbstbewusst.
    »Machen Sie sich nichts daraus«, antwortete Kammhuber. Er wollte noch hinzufügen, dass es da noch ganz andere Leute gebe, die sich anders hätten verhalten können, als sie es getan hatten, da klingelte schon wieder sein Telefon. Er meldete sich, diesmal war es aber nicht die Diamanten schneidende Stimme der Münchner Anwältin, die an sein Ohr drang.
    »Steinbronner hier«, dröhnte eine stockschwäbisch grundierte Männerstimme, »ihr habt diesen Berndorf festgenommen? Warum?«
    Kammhuber biss sich auf die Lippen. Er hatte mit Unheil gerechnet. Aber dass es so schnell über ihn hereinbrechen würde! Mit einer Handbewegung winkte er die

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