Beifang
Magisterarbeit recherchiert hat... ein Studienkollege von ihr hat die Aufnahme gemacht.«
Berndorf stand noch immer vor der Fotografie. Der Blick, mit dem die junge Frau in die Kamera sah, erschien ihm distanziert oder besser: Distanz suchend, fremd, fragend. Er erkundigte sich nach dem Thema der Magisterarbeit.
»Sie arbeitete über mittelalterliche Grabmäler, genauer: über die Entwicklung der Epitaphe in den Kirchen und Klöstern Südwestdeutschlands, mit dem Schwerpunkt vierzehntes Jahrhundert. In dieser Zeit hat man begonnen, auch die klagenden Hinterbliebenen darzustellen...«
»Sie hat eine sehr gute Beurteilung bekommen«, ergänzte seine Frau. »Die Arbeit hätte sogar veröffentlicht werden sollen, aber der Verleger, der zuerst ganz Feuer und Flamme war, wollte dann einen Zuschuss zu den Druckkosten, angeblich, weil die Wiedergabe der Fotografien so teuer würde. Wir hätten ja gerne etwas dazugegeben, doch das wollte Fiona nicht... Aber nehmen Sie doch Platz.«
Man setzte sich, das heißt, Walleter wollte es, hielt dann aber plötzlich das Empire-Stühlchen in der Hand, das ihm zugewiesen war, und betrachtete es misstrauisch.
»Entschuldigen Sie bitte - hätten Sie mir vielleicht einen anderen Stuhl oder einfach einen Hocker? Manch einer ist eben doch ein schweres Joch...«
»Aber natürlich wird der Sie aushalten«, versicherte Ehret, doch seine Frau hatte ein Einsehen und holte einen Hocker aus der Küche, der stabil genug aussah.
»Warten Sie, ich bringe Ihnen noch ein Kissen«, sagte sie.
Schließlich saßen alle, Berndorf lobte den Tee, und Ehret sah, wie seine Frau geradezu fasziniert Berndorfs Begleiter beobachtete, der die Meißner Tasse, die in seiner Hand fast völlig verschwand, trotzdem mit niedlich abgespreiztem kleinem Finger hielt. Schweigen machte sich breit, unversehens überkam Ehret Unmut, der sich nicht zuletzt gegen ihn selbst richtete: Warum hatte er diese Männer zum Tee eingeladen?
»Diese Aufnahme von Ihrer Tochter«, brach Berndorf das Schweigen, »wo ist sie gemacht worden?«
»Irgendwo im Schwarzwald«, antwortete Siegfried Ehret, »in der Nähe von Alpirsbach.«
»Im Schwarzwald!«, wiederholte Berndorf und sah erst Walleter, dann Ehret an. »Wir waren heute Mittag auf der Rückfahrt vom Schwarzwald, als ich Sie angerufen habe.«
Ehret reagierte nicht, und Berndorf wechselte das Thema. »Haben Sie noch Kontakt zu dem Studienfreund Ihrer Tochter?«
»Nein.« Ehret schüttelte den Kopf, und es war ihm anzumerken, dass er ärgerlich wurde. Auf seinem Teller lag ein winziges Stück mürben Gebäcks, aber er rührte es nicht an.
»Soviel ich weiß, arbeitet Sascha jetzt für ein renommiertes Auktionshaus«, schaltete sich seine Frau Carola ein, offenkundig bemüht, die plötzliche Verstimmung ihres Mannes zu überspielen. »Wir hatten ja einmal gedacht, Fiona und Sascha würden - nun ja, länger zusammen sein, aber es hat sich nicht ergeben.«
»Der junge Mann war für so etwas nicht bestimmt«, ergänzte ihr Mann. »Aber das kann unsere Besucher kaum interessieren...« Er blickte von seinem Teller auf und sah Berndorf ins Gesicht. »Sie haben ja gewiss einen Grund, einen Anlass für Ihren Besuch. Wenn ich ehrlich bin, ist mir der noch nicht so ganz klar geworden.«
»Ich sagte Ihnen doch, dass wir bei meinem Anruf auf der Rückfahrt vom Schwarzwald waren«, antwortete Berndorf und gab den Blick zurück. »Wir haben dort versucht, mit dem Landrat Doktor Kröttle zu sprechen.«
Ehret runzelte die Stirn.
»Und?«, fragte Carola freundlich, »ist es Ihnen gelungen?«
»Nicht so besonders gut«, kam die Antwort. »Aber kann es sein, dass dieser Name Ihnen überhaupt nichts sagt?«
»Allerdings nicht«, meinte Ehret. »Und jetzt würde ich doch gerne den Anlass Ihres Besuchs erfahren.«
Berndorf bat um Entschuldigung und griff nach der Mappe, mit der er gekommen war und die er neben dem Stuhl abgestellt
hatte. »Bei unserem ersten Gespräch hatten wir kurz über die Kette und den Ring gesprochen, den Ihre Tochter getragen hat... Ich habe hier eine Fotografie, auf dem dieser Schmuck etwas besser zu sehen ist.«
Er holte einen der Abzüge heraus, die er sich hatte anfertigen lassen, und reichte ihn Carola Ehret. Sie zögerte, nahm den Abzug dann aber doch. Es war das Bild, auf dem Brigitte Sosta den Ring in der Hand hielt und betrachtete.
»Wer ist diese Frau?«, fragte Carola, und in ihre Stimme hatte sich Argwohn gemischt.
»Eine Brigitte Sosta«, antwortete
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