Beifang
Berndorf. »Sie sagte, sie habe Ihre Tochter in einem Fitnessclub kennen gelernt. Es sei aber nur eine flüchtige Bekanntschaft gewesen.«
»Ich wusste gar nicht, dass Fiona in einen Fitnessclub ging.« Sie schüttelte den Kopf. »Das war doch gar nicht ihr Stil, und nötig hatte sie es auch nicht.« Sie gab die Fotografie an ihren Mann weiter. Der sah sie nur kurz an und reichte sie an Berndorf zurück. »Tut mir leid, das Bild sagt mir nichts.«
Berndorf holte einen zweiten Abzug heraus. »Sie sehen hier eine Vergrößerung, und Sie erkennen, dass auf dem Ring eine biblische Szene dargestellt ist, der Sündenfall...«
Carola Ehret nahm den Abzug, warf aber nur einen kurzen Blick darauf und reichte ihn sofort an ihren Mann weiter. »Gewiss doch«, sagte sie, »Fiona hat ihn uns gezeigt. Sie hat ihn aus Ägypten, wissen Sie?«
Ihr Mann warf einen Blick zu Walleter, dessen Gesichtsausdruck sich verändert zu haben schien. »Was mein Schwiegersohn vor Gericht gesagt hat: dass sie ihn von einer verstorbenen Tante aus den USA hätte - das war eine Lüge. Ganz einfach eine Lüge.«
»Wir haben beide keine Verwandten drüben«, pflichtete ihm seine Frau bei.
»Vielleicht ein Missverständnis«, meinte Berndorf. »Aber hat Ihre Tochter etwas darüber gesagt, wie alt der Ring sein könnte, vielleicht auch etwas über die Art, wie er gearbeitet ist und was die biblische Szene zu bedeuten hat?«
Die Eheleute sahen sich an. »Nein«, antwortete schließlich die Ehefrau, »so sehr viel haben wir gar nicht darüber gesprochen. Wissen Sie, wir hatten damals andere Sorgen. Das Reisebüro Intlekofer, für das Fiona gearbeitet hat, war damals gerade in Konkurs gegangen, was heißt in Konkurs! Der Inhaber wohnt heute noch in seiner protzigen Villa, die hat er nämlich rechtzeitig auf seine Frau überschrieben, aber Fiona blieb er vier Monate Gehalt schuldig. Dabei war es sowieso nur ein Hungerlohn gewesen...
Nun haben wir ja ein bisschen aushelfen können, aber das war für Fiona nur ein kleiner Trost. Schließlich war das ihre erste Stelle gewesen, und sie fühlte sich so enttäuscht und auch gedemütigt, dass man sie um ihr Gehalt geprellt hatte. Von der letzten Reise, die Intlekofer noch abwickeln konnte, brachte sie diese Kette und den Ring mit, den sie für ein paar Dollar in einem Bazar in Kairo erworben hatte. Sie hatte ja schon damals über ein Vierteljahr kein Gehalt mehr überwiesen bekommen und meinte, das müsse jetzt alles anders werden, denn der Ring sei ein Glücksbringer...«
Sie hörte auf zu sprechen, und Berndorf sah, dass sie die Lippen zusammenpresste.
»Ein Glücksbringer!«, wiederholte sie plötzlich und stand abrupt auf. »Entschuldigen Sie mich...« Sie lief aus dem Zimmer.
Auch ihr Mann war aufgestanden und wollte ihr folgen, aber sie wies ihn mit einer abwehrenden Bewegung zurück und zog die Tür hinter sich zu. Ehret kehrte an den Tisch zurück, mit einem Ausdruck von ratlosem Zorn und hilfloser Entrüstung im Gesicht, und setzte sich dann doch wieder. »Ich hätte mir denken müssen, dass Ihr Besuch meiner Frau nicht guttut. Vielleicht sollten Sie...«
»Wir gehen gleich«, sagte Berndorf. »Ich würde nur gerne wissen, warum Ihre Tochter den Ring für einen Glücksbringer gehalten hat.«
»Das weiß ich wirklich nicht«, antwortete Ehret, »vielleicht, weil sie damals einen solchen nötig gehabt hat...«
»Warum?«
»Wie reden Sie mit mir?« Ehrets Gesicht rötete sich.
»Oder soll ich es Ihnen sagen?« Berndorf beugte sich nach vorne und fixierte Ehrets Augen. »In den Ring waren innen zwei Buchstaben eingraviert, nicht wahr?«
Ehret schüttelte den Kopf. »Bitte gehen Sie jetzt. Sie haben in diesem Haus genug Menschen in ihrer Seele verletzt.«
»Zwei hebräische Buchstaben«, setzte Berndorf nach, »das Mem und das Tet, die Abkürzung für Masel tov...«
»Ja, sicher«, antwortete Ehret müde. »Wenn ich Sie anders nicht loswerden kann... ja, da waren Buchstaben eingraviert, und unsere Tochter hat uns gesagt, was sie bedeuten und dass der Ring eben ein Glücksbringer ist. Sind Sie jetzt zufrieden?«
Berndorf sah ihn noch immer an. Aber er sagte nichts und schüttelte nur den Kopf, als wolle er einen unangenehmen Gedanken oder einen unangebrachten Einfall verscheuchen.
»Ein Kluger«, sagte Walleter unvermittelt in die Stille, »sieht das Unglück kommen und verbirgt sich, aber die Unverständigen laufen weiter und leiden Schaden.«
»Sie entschuldigen«, bemerkte Ehret, »aber
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