Beim ersten Om wird alles anders
mitgebracht. Hier bitte, sehen Sie selbst.“Mir wird skeptisch erwidert: „Kannst du mir dalassen, man weiß ja nie. Und kann ich bitte deinen Ausweis haben als Schlüsselpfand?“Auch dazu bin ich bereit, obwohl in meinem Stammstudio noch nie jemand auf diese Idee gekommen ist und mir deren Schlüssel mindestens genauso wertvoll vorkommen.
Als ich dann immer noch nicht aus dem Gesichtskreis der Herrscherin über den Empfangsbereich verschwinde,
sondern zu fragen wage: „Und wo kann ich mich umziehen? “, höre ich ein mürrisches: „Was, du willst dich zum Schreibkurs umziehen?“Ja, will ich. Ich, auch in ungewohnter Umgebung angefüllt von yogitypischer Sanftmut, erkläre: „Auf der Anmeldung stand, dass man in Yoga-Kleidung erscheinen soll. Das möchte ich dann gerne auch so handhaben.“So lautete die Vorgabe, auch wenn ich mich selber schon gefragt habe, ob man vor, während oder nach den Schreibübungen überhaupt zur Yoga-Praxis kommt. Da ich die Gunst der Thekenfrau in diesem Leben nicht mehr erringen werde, lege ich noch eine Frage nach: „Und dann wüsste ich gerne noch, wo wir uns dann zum Kurs treffen.“Die Antwort fällt entsprechend genervt und leicht bayrisch aus: „Jetzt ziehst dich erst mal um, dann kommst wieder hierher und ich erkläre es dir.“Gut, ich mag zwar klare Ansagen, aber auf eine Art und Weise angesprochen zu werden, wie ich es sonst nur vom Kindergartenpersonal gegenüber meiner fünfjährigen Tochter kenne, ist dann doch eher ungewohnt.
Ich will aber keinen Ärger und begebe mich folgsam und ohne mich mehr als einmal zu verlaufen zur Herrenumkleidekabine in einem der oberen Stockwerke. Dort angekommen sehe ich, dass wohl auch hier nur wenige Männer zum Stammpublikum gehören. Der uns Männern zugedachte Raum ist sehr klein, es gibt nur ganz wenige Wäschespinde, und obwohl Wochenende ist und einige reguläre Yoga-Kurse laufen, ist gerade mal ein Spind besetzt. Vielleicht sind Männer einfach zu sensibel für den hier herrschenden Umgangston.
Unverdrossen ziehe ich mich um. Barfuß und mit T-Shirt und kurzer Hose trotte ich wieder nach unten, fest entschlossen, der Empfangsdame ihr bisher sorgsam verschwiegenes Herrschaftswissen um den Veranstaltungsort doch noch irgendwie abzutrotzen. Während ich mir überlege,
wie ich das wohl am besten anstelle und trotzdem eine gewisse Restwürde wahre, höre ich ihre freundliche Ansage einer weiblichen Fragestellerin gegenüber: „Du willst zum Schreibkurs? Da musst du den Gang nach hinten laufen und beim dritten Buddha-Kopf nach links abbiegen. Da ist es dann schon.“Das kann ich mir merken, ich laufe einfach hinterher und gelange ohne weiteren Zwischenfall in einen kleinen Raum, in dem schon ungefähr 20 Frauen sitzen oder liegen, je nach persönlicher Vorliebe hingestreckt auf Matten und Decken, hingekuschelt auf wurstartigen Yoga-Kissen oder aufrecht sitzend auf Yoga-Blöcken. Alle tragen lange Hosen und Jacken, manche sehen aus wie beim Einkaufen, sehr viele haben Socken in grellen Farben an. Ich falle auch ohne pinkfarbene Kleidung auf, denn ich bin der einzige Teilnehmer in kurzen Hosen, und ich falle noch mehr auf, denn ich bin der einzige Mann hier.
Sofort fühle ich mich ein wenig wie ein Eindringling, aber wenn mich meine bisherige Yoga-Praxis auf etwas vorbereitet hat, dann darauf, dass es keine Situation gibt, die ich mit ein paar gezielten Atemübungen nicht überstehe. Schon der Gedanke daran beruhigt mich, sodass ich zu den Übungen gar nicht mehr schreiten muss. Ich schnappe mir ebenfalls ein Yoga-Kissen und ziehe mich in die entfernteste Ecke zurück, verschränke die Beine und versuche, gelassen zu lächeln.
Meine Gelassenheit wird kurz gestört, als eine offenbar mit gewissen Befugnissen ausgestattete Frau - Typ Yoga-Lehrerin, enges Top, lange Hose, Zehenring zu sehen, diverse Tätowierungen zu vermuten - sehr laut und dominant durch den Raum schreitet und die Fenster aufreißt. Beim Herausgehen sieht sie, dass ich mein Yoga-Kissen kurz losgelassen habe, und fragt eher rhetorisch: „Brauchst du das?“Na ja, denke ich, was braucht man schon wirklich
im Leben, noch dazu als Yogi, aber ich würde es schon gerne behalten. Der Kurs soll immerhin drei Stunden dauern, und Stühle in Yoga-Räumen müssen erst noch erfunden werden. Sagen tue ich stattdessen, da schlägt der ehemals harte Mann in mir durch: „Nein, nimm nur, das lag hier so rum, ich kann auch ohne.“Und schon ist sie mit dem Kissen aus dem Raum
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