Beim ersten Om wird alles anders
zu einer mir sehr gewagt vorkommenden Bewegung zu veranlassen.
Das las ich lieber nach. Dafür gibt es ja einschlägige Literatur, dachte ich, aber selbst nach der Lektüre des amerikanischen Klassikers von Thomas Claire Yoga for Men war ich nicht wirklich schlauer. Ich solle mich demnach auf einen Punkt konzentrieren, der sich zwischen Po und Geschlechtsteil befindet, und mir vorstellen, dieser wäre mittels einer Schnur mit dem Unterbauch verbunden. Beim Einatmen solle ich imaginär an dieser Schnur ziehen und den Punkt nach oben hieven. Diese Übung solle ich 30-mal wiederholen. Das klang anstrengend, und auch der weitere Hinweis, man könne sich als Anfänger diese Fertigkeit am besten aneignen, indem man beim Pinkeln immer wieder mal eine Pause einlege, begeisterte mich nicht übermäßig für das Beckenbodentraining. Die Pausen beim Pinkeln werden mit voranschreitendem Alter schon noch kommen, das will ich nicht ohne Not provozieren. Immerhin, vielleicht ziehe ich nach der Niederschrift dieses Kapitels ganz sachte an meiner imaginären Schnur und wer weiß, was dann passiert.
Schon jetzt aber, noch bevor ich auch nur eine der in Aussicht gestellten, wundersamen Auswirkungen wie verstärkte Blutzufuhr, Energie und Lust verspüre, weiß ich, dass es für mich noch ein weiter Weg sein wird, bis ich etwa Ashtanga-Yoga praktizieren werde. Hierbei handelt es sich um eine Spielart des Yogas, bei dem ein Großteil, wenn nicht sogar die gesamte Übungsstunde in besagter Zughaltung verbracht wird. Erfahrene Yogis sollen über Stunden in dieser Pose verharrend meditieren können. Was ein richtiger Yogi ist, der nutzt auch sonst jede Gelegenheit zum Mula-Bandha, wie Inder und Yoga-Lehrer diese Fertigkeit, den Beckenboden auf Kommando hochziehen zu können, nennen. Wenn Sie also einmal einen in sich selbst versunkenen Mann mit Yoga-Matte und angespannten Gesichtszügen in der U-Bahn oder in der Schlange vor der Supermarktkasse stehen sehen, dann wissen sie jetzt, woran er vermutlich gerade arbeitet.
Auch wenn ich hoffentlich nie so verzweifelt sein werde, dass ich in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkaufen an Potenzübungen denke oder gar daran arbeite, so wollte ich doch wissen, auf welche „richtigen“Yoga-Übungen Männer den Schwerpunkt legen sollten und warum. Diese Fragen werden natürlich in der männlichen Yoga-Literatur eingehend diskutiert, und es gibt offenbar eindeutige Erkenntnisse. Yoga allgemein kräftigt und stärkt Muskulatur und Ausdauer, die Atmung wird tiefer und voller, was nicht nur in Liebesdingen von Vorteil ist. Besonders empfohlen werden aber zu diesem expliziten Zweck Übungen, durch die Hüften, Po und das Becken gestärkt und geöffnet werden.
Aha, da ist es wieder: das Becken. Es scheint tatsächlich auch beim Mann eine große Rolle zu spielen, nicht
nur dessen Boden, sondern auch seine Öffnungsfähigkeit. Beide also sollen direkte Auswirkungen auf die sexuelle Leistungsfähigkeit haben. Vorausgesetzt, man beherrscht die entsprechenden Übungen.
Die wahre Königsdisziplin der Männerübungen scheint aber die Adlerhaltung zu sein. Durch sie wird die sexuelle Energie und Ausdauer dem Vernehmen nach nahezu ins Unermessliche gesteigert. Bikram Choudhury, der in den USA als Yogi der Superstars und „Erfinder“des Bikram-Yogas, aber auch als jemand mit einer kleinen Neigung zur Prahlerei bekannt ist, wird mit dem Ausspruch zitiert, dass alle, die den Adler regelmäßig praktizieren, stundenlang Sex haben können und noch im hohen Alter von neunzig Jahren sieben Höhepunkte am Tag haben werden.
Leider berichtet er nicht, wie genau die Auswirkungen auf etwas jüngere Männer sind. Haben 45-Jährige dann 14 Höhepunkte täglich? Oder nur dreieinhalb? Wie auch immer, wer erst als halber 90-Jähriger zum ersten Mal von der Übung hört, wird vermutlich tatsächlich 45 Jahre benötigen, um diese komplizierte Haltung zu schaffen. Falls jemand neugierig geworden sein sollte, wie man nun die Adlerübung zu praktizieren hat, der sollte sich auf gewisse Verwicklungen gefasst machen. Man stellt sich dazu leicht gebeugt auf ein Bein und legt das andere so darüber, dass dessen Oberschenkel über dem Oberschenkel des Standbeins liegt, der Unterschenkel jedoch hinter dem des Standbeins. Das ist so kompliziert und unbequem, wie es sich anhört, wird aber noch verworrener, wenn man wie verlangt den Oberkörper vorbeugt und den rechten Oberarm unterhalb des linken Ellbogens platziert und zum
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