Beim ersten Sonnenstrahl (Teil 3) (German Edition)
besorgte. Gerade hatte er einen kurzen Brief an Jules aufgegeben und ihnen Fahrkarten gekauft. David wollte gleich zurück nach London reisen. Der letzte Nachtzug nach Calais fuhr in einer dreiviertel Stunde ab. Das machte Zahar nicht wirklich glücklich, denn er wollte nicht zurück, obwohl er dringend mit Nuriel sprechen musste. Aber der w ürde ihm nur wieder hinterherschnüffeln und ihm den Umgang mit David verbieten. Doch David war keine Gefahr, bestimmt nicht! Im Gegenteil …
Als er mit dem Schlüssel kam, hielt er einen Zettel in der Hand.
»Was ist das?« Zahar lugte über seine Schulter.
»Ein Telegramm von Granny. Sie schreibt, dass ich auf keinen Fall das Amulett ablegen soll.«
Das Amulett! »Wir müssen es gleich suchen.«
David nickte.
»Ob deine Großmutter geahnt hat, was heute Nacht passiert?«
»Sie macht sich eben Sorgen«, antwortete David, während sie das Treppenhaus betraten.
In ihrer Suite angekommen, begann Zahar sofort die Koffer zu packen. David ging ins Badezimmer, um das Amulett zu suchen.
»Lass bitte die Tür offen«, rief ihm Zahar hinterher. »Damit ich mitbekomme, wenn Gefahr in Verzug ist.«
Er hörte David glucksen. »Ja, Granny.«
»Hast du die Kette gefunden?«
»Ja, ich sehe sie! Liegt im Abfluss.«
»Kommst du hin?« Zahar warf eine n Blick durch die geöffnete Badezimmertür. Er sah David von hinten an der Wanne stehe n.
»Kein Problem.«
Zahar atmete auf. Die Kette war da, welch ein Segen! Nun konnte nichts mehr passieren.
Vorsichtig legte er Socken, Hemden und Hosen in ihre Koffer, damit nichts zerknitterte. Er wollte bei David Eindruck machen; er sollte ihn nicht für einen Wilden halten.
Während Zahar vor der Tür hin und her huschte, bis er all ihre Sachen eingesammelt hatte, wunderte er sich, dass David nichts tat, sondern sich lediglich mit beiden Händen auf dem Wannenrand abstützte.
Zahar grinste. »Drückst du dich vor der Arbeit?«
Keine Antwort.
Er nahm Davids Mantel an sich, der auf dem Bett lag, und ein Buch purzelte heraus. Es fiel auf die Matratze. Kein Wunder, dass der Mantel so schwer war, bei all den Dingen, die David bei sich trug.
Zahar nahm das in rotes Leder gebundene Büchlein und schlug es auf. Das mussten die geheimen Aufzeichnungen sein, denn Zahar konnte den Text nicht lesen. Die Reihenfolge der Buchstaben ergab keinen Sinn, nicht einmal ein bekanntes Wort. Die Skizzen sah Zahar hingegen. Da gab es Drachen, Menschenfrauen und detaillierte Zeichnungen von der Anatomie der Gargoyles: Krallen, die Knochenstruktur der Schwingen, die Fangzähne …
»Ich habe alles gepackt, wir können los!«, rief er und schob das Notizbuch zurück in die Manteltasche.
Immer noch befand sich David im angrenzenden Raum. Es war seltsam still. Ob eine Spinne den Abfluss für sich beanspruchte und David sich nicht traute, die Kette herauszuziehen? »Ist alles in Ordnung?« Zahar betrat das Badezimmer.
Da richtete sich David auf und drehte sich zu ihm um. Seine Augen leuchteten und ein breites Grinsen erfüllte sein Gesicht. »Wirst du mir einen Gefallen tun, wenn wir zurück in London sind?«
»Gerne.« Was hatte David? So seltsam hatte er noch nie gelächelt.
»Könntest du dir vorstellen, zu deinem Klan zurückzukehren, um dir ein Weibchen zu suchen?«
»Bitte?« Er musste sich verhört haben.
»Sie haben dich nicht verstoßen , korrekt? D u könntest zurück.«
»Ja, aber … Kannst du das mit dem W eibchen wiederholen?« Der irre Glanz in Davids Augen machte ihm allmählich Angst. Und wovon sprach er nur? »Du weißt, dass mich Weibchen nicht interessieren.«
»Ich brauche ein Gargoyle-Baby. Ein Junges, frisch geboren, das außerhalb des Mutterleibes noch nicht in den Steinschlaf gefallen ist.«
Zahar schüttelte den Kopf und fuhr sich durchs Haar. »Ich kann dir nicht folgen.«
»Ich spreche von einer neuen Rasse. Mit deiner Hilfe kann ich sie erschaffen und die Dämonen werden ihr nichts entgegenzusetzen haben. Ich brauche nur ein Gargoylekind.« David stellte sich dicht vor ihn. »Den Gefallen wirst du mir doch tun, oder? Ich weiß, dass du starke Gefühle für mich hegst, und ich werde deine Nähe ertragen, wenn du mir eine Gegenleistung dafür bringst.«
Zahars Magen zog sich zusammen. David würde seine Nähe … ertragen? Erneut sah er die Vision, die Jules ihnen gezeigt hatte: David, der mit einer Klinge an Nuriels Horn schabte und seinen Vater, der ihm Blut abnahm.
David wollte an den Inhalt des Buches gelangen, um das Werk
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