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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Pflegepersonals. Ich bezahle überfällige Rechnungen. Zanne, die noch immer bei uns ist, macht mir eine Tasse Kaffee. Er ist frisch aufgebrüht, als ich mit nassen und gekämmten Haaren nach unten komme. »Hat irgendwer angerufen?«
    Â»Falls du mit irgendwer das Krankenhaus meinst, dann nein.« Sie blättert die Seite in dem Kochbuch um, in dem sie liest. »So ein Blödsinn«, sagt Zanne. »Kochen macht einfach keinen Spaß.«
    Die Haustür geht auf und knallt zu. Anna kommt in die Küche gestürmt und bleibt abrupt stehen, als sie mich sieht. »Was machst du denn hier?«
    Â»Ich wohne hier«, sage ich.
    Zanne räuspert sich. »Entgegen allem Anschein.«
    Aber Anna hört sie nicht oder will sie nicht hören. Sie setzt ein strahlendes Lächeln auf und wedelt mit einem Brief vor meiner Nase. »Der ist an Coach Urlicht geschickt worden. Lies ihn, na los, lies ihn!«
    Liebe Anna Fitzgerald
herzlichen Glückwunsch, Du darfst mit ins diesjährige
    Sommerlager, das der Eishockeyverband für Mädchen
    im Tor veranstaltet. Es findet vom 3. bis 17. Juli in
    Minneapolis statt. Bitte fülle das beiliegende Anmeldeformular aus und schicke es bis zum 30.4.2001
    zurück. Bis dann auf dem Eis!
    Coach Sarah Teuting
    Ich lasse den Brief sinken.
    Â»Kate durfte auch in ein Sommerlager, als sie so alt war wie ich, für Kinder mit Leukämie«, sagt Anna. »Wißt ihr eigentlich, wer Sarah Teuting ist? Sie steht im Tor von der Nationalmannschaft, und ich lerne sie nicht bloß kennen, sie zeigt mir auch, was ich falsch mache. Der Coach hat mir ein Vollstipendium besorgt, ihr müßt also keinen Cent bezahlen. Ich flieg mit dem Flugzeug hin und werde in einem Wohnheim untergebracht, so eine Chance krieg ich nie wieder –«
    Â»Schätzchen«, sage ich behutsam, »du kannst da nicht mitfahren.«
    Anna schüttelt den Kopf. »Aber es ist doch jetzt noch gar nicht. Es ist erst nächsten Sommer.«
    Und dann ist Kate vielleicht tot .
    Soweit ich mich erinnern kann, läßt Anna zum allerersten Mal durchblicken, daß sie ein Ende dieser Phase kommen sieht, einen Zeitpunkt, an dem sie vielleicht endlich befreit ist von jeglicher Verpflichtung gegenüber ihrer Schwester. Bis dahin ist völlig ausgeschlossen, daß sie nach Minnesota fährt. Nicht weil ich Angst habe, Anna könnte dort etwas passieren, sondern weil ich Angst habe, Kate könnte etwas passieren, wenn ihre Schwester nicht da ist. Wenn Kate diesen Rückfall überlebt, wer weiß wie lange es bis zum nächsten dauert? Und dann brauchen wir Anna – ihr Blut, ihre Stammzellen, ihr Gewebe – und zwar hier.
    Die Tatsachen hängen zwischen uns wie ein hauchdünner Vorhang. Zanne steht auf und legt ihre Arme um Anna. »Weißt du was, Kleines? Vielleicht sollten wir ein anderes Mal mit deiner Mom darüber sprechen –«
    Â»Nein.« Anna rührt sich nicht von der Stelle. »Ich will wissen, warum ich nicht mit darf.«
    Ich fahre mir mit einer Hand über das Gesicht. »Anna, zwing mich nicht dazu, bitte.«
    Â»Zu was?« stößt sie hervor, » ich zwinge dich zu gar nichts.«
    Sie zerknüllt den Brief und rennt aus der Küche. Zanne lächelt mich schwach an. »Willkommen daheim«, sagt sie.
    Draußen nimmt Anna einen Hockeyschläger und fängt an, einen Ball gegen die Garage zu schlagen. Fast eine Stunde geht das so, ein rhythmischer Takt, bis ich vergesse, daß sie da draußen ist und allmählich denke, daß ein Haus einen eigenen Pulsschlag haben kann.
    Nachdem Kate siebzehn Tage im Krankenhaus ist, bekommt sie eine Infektion. Sie hat hohes Fieber. Es werden Bakterienkulturen mit Blut-, Urin-, Stuhl- und Auswurfproben angelegt, um den Organismus zu isolieren, doch gleichzeitig bekommt sie sofort ein Breitspektrumantibiotikum, in der Hoffnung, daß es anschlägt.
    Steph, unsere Lieblingskrankenschwester, macht an einigen Abenden Überstunden, damit ich das alles nicht allein bewältigen muß. Sie bringt mir Zeitschriften aus den Wartezimmern der Ambulanz und führt fröhliche einseitige Gespräche mit meiner bewußtlosen Tochter. Äußerlich ist sie ein Muster an Resolutheit und Optimismus, aber ich habe auch schon Tränen in ihren Augen gesehen, wenn sie Kate wäscht und glaubt, ich merke es nicht.
    Eines Morgens kommt Dr. Chance herein, um nach Kate zu

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